Die 24 Stunden von Le Mans

Entwickler:  Melbourne House
Vertrieb:  Infogrames
Genre:  Rennspiel
Spieler:  1-4
System:  Dreamcast

Story - Gameplay - Präsentation - Fazit - Wertung



Goldene Zeiten für Freunde des digitalen Fahrvergnügens: Gleich vier starke Titel starten zum Rennen um das Weihnachtsgeschäft. Auch wenn die Konkurrenz mit "F355 Challenge", "Metropolis Street Racer" und "Sega GT" nicht zu unterschätzen ist, weiß sich "Le Mans" zu wehren. Die runderneuerte Umsetzung von PC/Playstation kann mit neuen Strecken, mehr Fahrzeugen und nicht zuletzt mit einem kompletten 24-Stunden-Rennen in Echtzeit aufwarten - das soll erst einmal einer nachmachen!

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Zunächst die harten Fakten: Zehn originalgetreue Strecken, acht Meisterschaften und 37 Fahrzeuge (meine Zählung ergab zwar nur 34, doch habe ich mich bislang auch wohlweislich von den mehrstündigen Wettbewerben ferngehalten) gilt es nach und nach zu erfahren. Als Spielmodi warten das übliche Einzelrennen, die besagten, nach Fahrzeugklassen unterteilten Meisterschaften, Trainingsläufe gegen die Uhr, Multiplayer-Matches sowie natürlich das titelgebende 24-Stunden-Spektakel. In (fast) all diesen Läufen lassen sich neue Fahrzeuge und/oder Strecken freischalten, was ein praktischer Fortschrittsanzeiger im Optionsmenü überwacht. Der Einfachkeit halber sollen die Events im folgenden einzeln abgehandelt werden:
 
  • Schnelles Rennen: Das Übliche - Rundenzahl und Schwierigkeit festgelegt, ab auf die Piste. Anfangs stehen nur vier Strecken zur Verfügung, hier erwirbt man sich die restlichen sechs sowie ein Bonusauto.

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  • Meisterschaft: Acht immer längere und schnellere Wettbewerbe gilt es zu bestehen. Diese gehen für gewöhnlich über drei Rennen (in Ausnahmefällen zwei bzw. fünf) und halten für den Sieger jeweils zwei Bonusautos bereit.

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  • Zeitfahren: Eigentlich als Trainingsmodus gedacht, doch gibt es auch hier je einen Wagen pro Strecke, wenn man die vorgelegten Bestzeiten unterbietet. Da dies jedoch ohne die im Meisterschaftsmodus freigespielten Fahrzeuge völlig unmöglich ist, spielt man diese Fingerübungen kurioserweise erst zuletzt. Die Bestzeiten werden automatisch gespeichert, das Ghostcar leider nicht.

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  • Le Mans: Das Kernstück des Spiels. Es wartet ein komplettes Rennen von 16 Uhr bis 16 Uhr des darauffolgenden Tages, also inklusive Tag- und Nachtwechsel. Wer mag, kann die variablen Wetterverhältnisse deaktivieren und bei jedem Boxenstopp den Rennverlauf speichern. Darüber hinaus lässt sich die Spielzeit auf sechs Stunden bzw. 60, 30 und zehn Minuten verkürzen, Bonusboliden gibt es jedoch nur für Siege in den längeren Wettbewerben. Es wird stets bis zum Ablauf der Zeit gefahren und die aktuelle Runde beendet - bei der 24-Stunden-Veranstaltung kommt man so (je nach Fahrzeug) auf über 360 Runden, bei zehn Minuten sind es immerhin noch drei.

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  • Multiplayer: Zwei bis vier Spieler duellieren sich (ohne Computerbeteiligung) am geteilten Screen. Es gelten die gleichen Optionen wie im Schnellen Rennen.

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    Allen Spielmodi gemeinsam ist, dass das eigene Vehikel zuvor rudimentär vorbereitet werden darf - Wahl der Reifen (schade, dass es vor dem Rennen keinen Wetterbericht gibt), Spoiler-Einstellungen und Tankfüllung lassen sich den eigenen Vorlieben anpassen. Während des Rennens bieten Boxenstopps Gelegenheit, diese Wahl nachträglich zu korrigieren, falls beispielsweise Niesel- oder Platzregen die Spurtreue des Wagens in Mitleidenschaft ziehen. Diese Vorgänge laufen vollautomatisch ab, sobald man in die Boxengasse eingebogen ist, sind aber leider noch immer nicht animiert.

    Auch die Einteilung der Schwierigkeitsgrade ist nicht ganz optimal gelöst. So werden Gegnerintelligenz und Fahrhilfen stets kombiniert, wodurch sich praktisch alle außer dem normalen Schwierigkeitsgrad für den Hausgebrauch disqualifizieren: Auf "Amateur" fährt man dank automatischer Bremsfunktion und extrem langsamer Gegner mühelos dem gesamten Feld davon, als "Experte" sind die Jungs extrem herausfordernd (sprich: fast unschlagbar), zudem lenkt sich das eigene Gefährt reichlich nervös, was immense Konzentration erfordert. Wirklich Spaß macht hingegen der mittlere Härtegrad: Gute, aber nicht übermenschliche Gegner mit realistischen Motorleistungen, eine leichte Traktionskontrolle, aber keine aufdringliche Bremshilfe - gerade richtig für ein entspanntes Rennen zwischendurch!

    Schade nur, dass noch immer keine Cockpitansicht implementiert wurde. Die Stoßstangenperspektive liegt zu niedrig, um kontrolliert zu fahren, die Motorhaubenkamera irritiert durch die ständigen Reflektionen auf dem glänzenden Lack, und beim Blickwinkel direkt hinter dem Wagen versperrt selbiger die Sicht auf die Strecke. So stellt die leicht erhöhte Verfolgeransicht noch die beste Wahl dar, was "Le Mans" seinen unbestreitbaren Arcade-Touch verleiht. Ein Übriges tut die Steuerung, welche für meinen Geschmack eine Winzigkeit zu nervös reagiert - eine variable Sensibilität wie bei "F355" hätte hier sicher nicht geschadet.

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    Dass sich die verschiedenen Wagen dennoch hervorragend lenken lassen, liegt nicht zuletzt am bemerkenswert flüssigen Bildaufbau. Ganz offensichtlich hat der Wechsel des Entwicklerteams (für die PC-Variante zeichneten noch die Programmierer von Eutechnyx verantwortlich) der Grafik allgemein äußerst gut getan: Selbst im Zweispieler-Splitscreenmodus trüben keine Pop Ups das Bild (für das Viererduell fehlen mir leider die nötigen Pads:-), und die 60 Frames pro Sekunde wanken noch nicht einmal bei einem Dutzend Autos auf dem Bildschirm. Dies ist umso beeindruckender, als die detaillierten Boliden mit schicken Spiegeleffekten aufwarten können und selbst Rennen über zehn Runden komplett in den Replay-Speicher passen! In der Wiederholung lassen sich dann allerlei weitere Details erkennen: Scheibenbremsen glühen auf, Regentropfen klatschen auf Fahrbahn und Kamera, selbst aufspritzende Kieselsteine hüpfen noch kurz, bevor sie wieder verschwinden! Da bedarf es fast keiner Erwähnung mehr, dass auch die Kulissen mit Eye Candy wie Achterbahnen, Riesenrädern, Buden und Bäumen gespickt sind, oder?

    Etwas mickrig fällt dagegen der Sound aus. Zwar klingen alle Motoren unterschiedlich, doch keiner vermag wirklich zu überzeugen. Auch die wahlweise Rock- oder Funk-lastigen Begleitmusiken rangieren bestenfalls in der Kategorie "ganz nett". Reifen- und Crashgeräusche gehen wiederum in Ordnung, reißen jedoch ebenfalls keine Bäume aus.

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    Nüchtern betrachtet sind "Die 24 Stunden von Le Mans" ein geradliniger Arcade-Racer mit Simulationseinschlag - man hat Strecken, man fährt sie, man erhält weitere Strecken und zusätzliche Autos. Kein überflüssiges Aufrüst- und Prämiensystem trennt den Fahrer von der Piste. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit: Aufgrund der technisch brillanten Realisierung sehen die Rennen nicht nur schlichtweg umwerfend aus, sondern spielen sich auch exzellent. Es macht einfach Spaß, sich in einem zwanzigköpfigen Fahrerfeld zur Spitze vorzukämpfen, ungeachtet der Tatsache, dass Flaggen und Verwarnungen ebensowenig existieren wie ein Schadensmodell. Rechnet man nun noch das originelle 24-Stunden-Rennen von Le Mans hinzu (würde mich mal interessieren, ob das wirklich jemand mit Freunden non-stop spielt), bleibt unter dem Strich ganz klar eines der drei besten Rennspiele für die Dreamcast. Und ohne jetzt ein System schlecht machen zu wollen: Technisch kann es die PS2 momentan auch nicht besser! (Markus Ziegler)

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