ATV Offroad
All Terrain Vehicle

Entwickler:  Rainbow Studios
Vertrieb:  Sony
URL:  www.scee.com/atvoffroad
Genre:  Rennspiel
Spieler:  1-4
System:  PS2

Story - Gameplay - Präsentation - Fazit - Wertung


Sie springen weiter als ein Känguru, erklimmen Steilwände schneller als Bergziegen und machen mehr Krach als ein brünftiger Elch - keine Frage, die kleinen Kraftpakete mit vier Rädern (kurz "Quads" genannt), haben es in sich. Und obwohl (oder gerade weil) der reale Sport in Deutschland noch kein besonders hohes Ansehen genießt, schickt Sony die tollkühnen Männer auf ihren (fast) fliegenden Kisten zunächst auf der PS2 ins Rennen.

Story - Gameplay - Präsentation - Fazit - Wertung


Bei herkömmlichen Rennspielen kommt es in erster Linie auf gutes Fahrverhalten, Originalfahrzeuge und eine gelungene optische Umsetzung an. ATV setzt noch einen drauf: Das ausgezeichnete Fahrzeug- und Physikmodell sorgt für den nötigen Realismus, spektakuläre Tricks für zusätzlichen Nervenkitzel. Also alles in Butter? Wohl kaum, denn sonst wäre dies der vermutlich kürzeste Test aller Zeiten...

Nein, "ATV Offroad" hat mit kleinen, aber letztlich entscheidenden Schwächen zu kämpfen, welche leider vielen Gelegenheitsspielern die Lust am Querfeldeinrasen verderben dürften. Kommen wir jedoch zunächst zur Haben-Seite: Die elf verfügbaren Quadmodelle unterscheiden sich zwar nur marginal in puncto Beschleunigung, Handling, Höchstgeschwindigkeit und Stabilität, lassen sich aber nachträglich in der Werkstatt optimal auf die jeweils nächste Strecke einstellen. Die Steuerung der handlichen Monster ist ausnehmend gut gelungen und stellt selbst Einsteiger nicht vor unlösbare Probleme: Gasgeben und Bremsen auf Knopfdruck, Lenken (auch die Quad-Neigung im Flug) per Analogstick - mehr braucht man anfangs nicht zu wissen. Später variiert man noch (ebenfalls durch den Stick) die Länge von Sprüngen oder vollführt mittels zweier Stunt-Tasten spektakuläre Sprünge. Dass sich optional auch die Kupplung bedienen oder die Kamera in der Luft wechseln lässt, interessiert glücklicherweise nur am Rande.

Zur tadellosen Steuerung gesellt sich eine überraschend gute Simulation des unebenen Terrains. Jede Bodenwelle macht sich bemerkbar und beeinflusst nachhaltig die Performance des Quads. Wer mit nur zwei Rädern landet oder gar frontal auf eine Steigung knallt (optimalerweise sollte man sich zur Landung ein abschüssiges Streckenstück oder zumindest eine ebene Stelle aussuchen), darf seinem Piloten nicht selten beim vorzeitigen Absteigen zusehen. Die exzellente Kollisionsabfrage berechnet dabei Fahrer und Gefährt getrennt, was oftmals lustig (und schmerzhaft) anzusehende Konsequenzen nach sich zieht. Gelegentlich geschieht es sogar, dass ein gestürzter Fahrer nochmals von seinem Quad angefahren und durch die Gegend geschubst wird - gut, dass das alles nur ein Spiel ist! So dauert es keine zwei Sekunden, bevor man sich wieder im Sattel seines Renners wiederfindet und sich an die Verfolgung der vier Gegner machen kann.

Der letzte uneingeschränkt positive Punkt betrifft die abwechslungsreichen Spielmodi: Je nachdem, ob man sein Glück bei einem der elf Cross-Rennen, auf den sieben Hallenpisten, in Überland- oder Stunt-Wettbewerben (jeweils fünf weiträumige Gegenden, welche frei "erfahren" werden können) versucht, werden völlig unterschiedliche Anforderungen an Stahlross und -reiter gestellt. Wem dies noch nicht genug ist, der darf sich dank eines praktischen Editors (man fährt und setzt unterwegs Tore) seine eigenen Strecken kreieren und auf Memory Card abspeichern. Leider sind anfangs nur sehr wenige (vorgefertigte) Strecken in Einzelrennen anwählbar, und es existieren weder kurze Meisterschaften noch eine echte Liga. Stattdessen müssen alle Kurse nacheinander im Karrieremodus bestanden und freigeschaltet werden. Das dauert, denn vor das Weiterkommen haben die Programmgötter eine mindestens zu erreichende Platzierung gestellt.

Hier beginnen die wirklich ärgerlichen Punkte: Dummerweise existieren nämlich keine Abstufungen in Schwierigkeitsgrad oder Gegnerniveau, was das Gewinnen der einzelnen Wettbewerbe beinahe zu einem Ding der Unmöglichkeit macht. "Wie das?" wird nun der eine oder andere fragen, "die Steuerung ist doch angeblich so gut?" Nun, das Problem liegt woanders. Wie mittlerweile üblich, trauten es sich auch die Rainbow-Studios-Entwickler nicht zu, einen ausgewogenen Schwierigkeitsgrad zu definieren. Stattdessen geben die Computerpiloten tapfer Vollgas, sobald sie zurückzufallen drohen. Da ihre Quads dem des Spielers mindestens ebenbürtig sind, entsteht so ein dichtgedrängtes Fahrerfeld, das auch auf den fünf Runden im Karrieremodus (ansonsten lässt sich die Anzahl beliebig zwischen zwei und 20 variieren) so gut wie nie auseinandergerissen wird. Natürlich ist es praktisch unmöglich, jede Bodenwelle optimal zu fahren und schon beim Absprung zu wissen, ob man nun 20 oder 25 Meter weit fliegt. Dadurch wird man selbst bei scheinbar optimaler Fahrweise regelmäßig abgebremst, wodurch man sich schnell am Schluss des Feldes wiederfindet. Mit unschöner Regelmäßigkeit passiert dies übrigens kurz vor der Zielmarkierung, wodurch wieder zehn Minuten Konzentration für nichts und wieder nichts verschwendet wurden.

Leider gibt es keine Möglichkeit, diese beschwerliche Übung abzukürzen, und selbst den härtesten Offroad-Fetischisten befallen Zweifel, wenn er anderthalb Stunden lang vergeblich versucht hat, ein und dieselbe Strecke zu absolvieren. Da hilft es relativ wenig, dass nach jedem gelungenen Rennen eine Speichermöglichkeit besteht und eine komplette Karriere durch ein weiteres Quad belohnt wird...

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Schade, denn die grafische Gestaltung der umfangreichen Areale (erreicht man die Randzone, wird man wie seinerzeit bei "Motocross Madness 2" scheinbar mit einer Kanone wieder auf die Strecke zurückgeschossen) kann sich durchaus sehen lassen: Sanfte Hügel und schroffe Täler, Büsche und Bäume, Gebäude und vereinzelte Animationen wie umherfliegende Hubschrauber oder fahrende Züge - hier ist Abwechslung Trumpf. Auch die Framerate und Sichtweite bieten keinen Grund zur Klage und fallen selbst im Zwei- oder Vierspieler-Splitscreen noch überzeugend aus.

Auch der Soundtrack rockt, und das im wörtlichen Sinne: Musikstücke von Anthrax, Alice in Chains und weiteren Bands untermalen das Geschehen, gelegentlich schleichen sich allerdings auch einige langweilige Synthie-Tracks ein. Etwas fade klingen außerdem die wenigen Soundeffekte und Schreie der Fahrer, doch weiß zumindest der nervöse Rasenmähersound der PS-Bolzen zu überzeugen.

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Manchmal ist es schon fast tragisch zu sehen, wie ein beinahe rundum gelungenes Spiel durch Kleinigkeiten einen Großteil seines Potenzials einbüßt. Was nützen einem die schönste Grafik und die beste Steuerung, wenn über den Ausgang eines Rennens letztlich doch der Zufall entscheidet? Was bringt die schönste Streckenauswahl, wenn man praktisch alle Pisten erst in tagelanger Arbeit (und wir reden hier von einer Arbeit, die nur in sehr begrenztem Maße mit Spaß verbunden ist) freischalten muss? In "ATV Offroad" stecken eine Menge guter Ansätze, und man merkt den Entwicklern an, mit welcher Hingabe sie das Spiel erstellt haben. Ich möchte auch keinesfalls den Eindruck erwecken, dass ATV ein schlechtes Programm sei, denn gerade technisch sucht es in mancherlei Hinsicht seinesgleichen. Nein, das Problem ist, dass das Spiel trotz aller Tuning- und Strecken-Optionen im Solo-Modus nur sehr kurze Zeit Spaß macht, für abwechslungsreiche Mehrspielerduelle jedoch erst im Alleingang die nötigen Strecken freigeschaltet werden müssen. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Gesellige Raser sollten dennoch eine Probefahrt riskieren, schließlich bietet allein der Streckeneditor schon einiges an Abwechslung - und wenn sich dann noch einer aus dem Fahrerkreis opfert, um die restlichen Kurse freizuschalten... (Markus Ziegler)

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System:  PS2
Grafik:  9
Sound:  8
Spielspaß:  8,5
Dauermotivation:  5,5
GESAMT:  7,5 (von 10)