ESPN Winter X-Games Snowboarding

Entwickler:  Konami
Vertrieb:  Konami
Genre:  Sport
Spieler:  1-5
System:  PS2

Story - Gameplay - Präsentation - Fazit - Wertung



Seit Einführung der guten alten PlayStation sind Snowboardspiele die Leib- und Magensportart der „hippen“ Konsolenkids. Bei SSX, einem der besten PS2-Launchtitel, setzte Developer Electronic Arts vollständig auf eine Arcade-lastige Steuerung, überzogene Sprünge und unrealistische Fantasiekurse. Konami geht den entgegengesetzten Weg und bietet eine ernsthafte Simulation des weißen Modesports. Fragt sich nur, ob der Spielspaß bei so viel Realismus nicht auf der Strecke bleibt...

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Insgesamt 15 lizensierte Profi-Boarder lassen sich die hiesigen Hänge hinunterstürzen. Sie alle ähneln stark ihren realen Vorbildern - und einander. Flippige Kostüme, enge Pullover oder gar nabelfreie Tops (immerhin sind fünf weibliche Athleten am Start) sucht man hier nämlich vergeblich, alle Sportler hüllen sich in originalgetreue, aber unspektakuläre Anoraks und Schneehosen. Überdies ist kein Unterschied im fahrerischen Können feststellbar, wie sich auch die Fahrerbeschreibung (sowohl im Spiel als auch im Handbuch) über derlei Kleinigkeiten ausschweigt.

Nachdem diese kleine Enttäuschung verdaut und das gewünschte Brett (zwei unterschiedliche Längen stehen jedem Fahrer zur Verfügung) gewählt wurde, geht es auch schon auf die Piste. Neueinsteigern empfiehlt sich zunächst der treffend benannte Modus „X-Games“. Hier dürfen sie in vier realistisch umgesetzten Disziplinen zeigen, was in ihnen steckt: „Snowboarder-X“ bietet ein simples Abfahrtsrennen gegen vier CPU-gesteuerten Konkurrenten, von der Kursführung her in etwa vergleichbar mit einem Super-G bei den Skifahrern. Die „Superpipe“ bietet Akrobaten anderthalb Minuten lang Zeit, ihre Tricks auszuführen, wobei mehrere schnell aufeinander folgende Stunts einen wichtigen Extrabonus ergeben. „Big Air“ gibt dem Spieler Gelegenheit zu einem einzigen, großen Sprung und einem darauffolgenden Trick in der Quarterpipe. „Slope Style“ schließlich bezeichnet eine Piste, welche nicht nur einige Schanzen, sondern auch einige Geländer und Tische enthält, welche sich nach dem Vorbild Tony Hawks absliden lassen. Der Bonusmodus „Free Ride“ hingegen versetzt den einsamen Boarder mitten in ein 8x8km großes Skigebiet, wo er ohne Zeit- und Bewertungsdruck zwischen Bäumen und Skiliften umherwedeln darf.

Leider hat die Sache einen klitzekleinen Haken: Es gibt nur einen einzigen Abfahrtshang, nur eine einzige Schanze, nur eine einzige Halfpipe und nur einen einzigen Trickparcours. Auch in Duellen mit menschlichen Kontrahenten ist nicht viel mehr Abwechslung geboten. Diese bieten zusätzlich ein weiteres Stuntgelände sowie zwei verhältnismäßig einfallslose Rennstrecken in den Bergen, wo bereits ein Ausrutscher einen Sturz in den Abgrund und somit die sofortige Disqualifikation bedeuten kann. Zumindest dürfen bei letzteren zwei Rivalen direkt gegeneinander am horizontal geteilten Screen antreten, Freestyle-Events werden generell nacheinander, dafür aber mit bis zu fünf Teilnehmern ausgetragen.

Etwas besser sieht es da im Karrieremodus aus: Zunächst kreiert man aus acht Gesichtern sowie den passenden Größen- und Gewichtsdaten seinen eigenen Boarder. Mit diesem findet man sich umgehend in einem kleinen Wartezimmer wieder, dessen Design stark an ein zweifarbiges, isometrisches Legoland erinnert. Außer um kurze Plaudereien mit anderen Legomännchen geht es hier vor allem um eins: Geld. Also lässt man sich von Videogesellschaften auf insgesamt vier Strecken filmen, wobei jeder gelungene Trick einige Moneten auf das Boarderkonto bringt. Mit diesen meldet man sich zu den üblichen Wettbewerben (Zeitfahren, diverse Superpipe- und Tricks-Parks) an, kauft Pässe für verschiedene Skilifte oder lässt sich ganz einfach per Helikopter auf einen Hügel („Berggipfel“ wäre übertrieben) fliegen. Noch was? Ach ja, ganz nebenbei werden noch unzählige Boards, Boots, Bindungen, Jacken, Brillen und Hosen angeboten, und das von stolzen 36 Originalsponsoren der X-Games. Worin genau der Reiz liegen soll, eine schwarze statt einer blauen Jacke zu tragen, bleibt allerdings wohl für immer das Geheimnis der Programmierer...

Wie gut es ESPN WXGS tatsächlich gelingt, das Snowboardgefühl zu simulieren, erkennt man am ehesten daran, dass das Spiel zunächst ebensowenig Spaß macht wie der wirkliche Sport. Ständig legt man sich auf die Nase oder verpasst Tore, auch die aus vielen anderen Games gewohnte Steuerung (Sprungtaste gedrückt halten, dann mit dem Analogstick Schwung holen) funktioniert nicht. Erst ein Blick ins Handbuch bringt Klarheit: Die Konami-Entwickler unterscheiden zwischen normalen Lenkbewegungen und dem Verkanten. Wer also wirklich sichere Kurven fahren will, hält ständig die Kreis-Taste (Kanten) gedrückt, Geschwindigkeitseinbußen sind dadurch erstaunlicherweise nicht zu befürchten. Will man seine Sprünge mit Drehungen und Flips aufwerten, muss der Stick im Moment des Absprungs in die entsprechende Richtung gedrückt werden. Das führt speziell zu Beginn oft dazu, dass man sein Board im letzten Moment in die falsche Richtung lenkt oder den richtigen Zeitpunkt verpasst. Leider ist die Steuerung überdies nicht frei konfigurierbar, hat man sich allerdings erst einmal an die Buttonbelegung gewöhnt, stellen selbst die wildesten Trickkombinationen kein unlösbares Problem mehr dar.

Schade nur, dass das eigentliche Spiel dadurch nicht unterhaltsamer wird. Letztlich läuft alles nach dem gleichen Schema ab: Wähle einen Boarder, geh auf die Piste und lass kein Tor bzw. keine Schanze aus, um die Konkurrenz zu schlagen. Rechnet man im Geiste noch die geringe Anzahl an Kursen hinzu, so bietet ESPN WXGS auf Dauer eindeutig zu wenig Abwechslung für die lange Einarbeitungszeit und den teils recht hohen Schwierigkeitsgrad der Wettbewerbe. Selbst die Bonusvideos, welche eindrucksvoll belegen, dass die Realität noch bedeutend haarsträubender als ein Spiel sein kann, sind von vornherein freigeschaltet - wo bleibt da der Anreiz?

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Nun, vielleicht in einer wirklich sauberen Präsentation: Zwar fehlen Gimmicks und schmückendes Beiwerk wie in EAs Konkurrenzspiel SSX fast vollständig, doch wirken die Pisten und Pipes gerade deshalb äußerst wirklichkeitsgetreu. Auch die ordentlich animierten Boarder machen bis hin zur im Fahrtwind flatternden Kleidung einen sehr realistischen Eindruck, obwohl ihre Mienenspiele bei Jubel und Ärger ähnlich verhalten ausfallen. Dafür lassen wechselnde Witterungsbedingungen die Strecken immer wieder in einem neuen Licht erstrahlen (oder im Schneegestöber versinken), und die hohe Sichtweite (nur Streckenobjekte wie Bäume werden etwas vor dem Horizont eingeblendet) vermittelt in Verbindung mit einem leichten Unschärfeeffekt ein gutes Gefühl für die Distanzen. Besonders schön sind die Replays mit ihren wechselnden Kameraperspektiven gelungen, auch wenn hier deutlich wird, dass nur der eigene Boarder, nicht aber die Computergegner eine Spur im Schnee hinterlassen.

Die Soundkulisse setzt sich aus langweiligen Effekten (nur vereinzelt sind Publikumsreaktionen oder Jubelrufe des Boarders zu hören) und hochklassigen Musikstücken zusammen. Die Palette reicht von Grunge über Hip-Hop bis hin zu Reggae-Klängen und passt dennoch überraschend gut zum eisigen Geschehen. Nur, dass zu jedem Menü eine eigene Melodie geladen werden muss, nervt mit der Zeit, auch wenn diese Wartezeiten ansonsten recht geschickt kaschiert wurden.

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Das Problem von ESPN Winter X-Games Snowboarding ist altbekannt: Eine gute Simulation und Originallizenzen machen noch lange kein gutes Spiel. Es ist zweifellos eine nette Erfahrung, in der gemütlich warmen Wohnung einige Runden auf dem Gletscher zu drehen, aber letztendlich muss der Spieler mehr Arbeit investieren, als der Spaß nachher wert ist. Warum sollte ich einsam durch die Wälder boarden wollen, wenn es dort nichts zu sehen gibt? Sooo schwer ist das Handling nun auch wieder nicht, als dass ich mir etwas beweisen müsste. Und was bitte bringen Originalfahrer ohne unterschiedliche Fähigkeiten oder  steigerbare Statistiken?

Am meisten Spaß macht das Schneebrettern noch im direkten Duell mit einem menschlichen Kontrahenten, aber damit das nicht zu unterhaltsam wird, ist der Lauf auf den Bergstrecken sofort beendet, wenn einer der beiden aus Versehen in den Abgrund fährt. Noch einmal: Das mag zwar sehr realistisch sein, für Spiele gelten jedoch andere Maßstäbe. So kann man ESPN WXGS trotz der ordentlichen Optik und einiger cooler Musikstücke letztlich nur echten Snowboard-Fans empfehlen, die sich hier zumindest virtuell die mehrere Tausend Dollar teuren Designerjacken und - brillen kaufen und ihre Helden selbst steuern dürfen... (Markus Ziegler)

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