Evolution

The World of Sacred Device


Entwickler:  Sting/ESP
Vertrieb:  Ubi Soft
Genre:  Rollenspiel
Spieler:  1
System:  Dreamcast

Story



Nun ist es also so weit: Das erste (und auf absehbare Zeit wohl leider auch einzige) Rollenspiel für Dreamcast ist erhältlich. Ein entscheidender Punkt im Leben einer jeden Spielkonsole, denn bislang konnten sich immer die Maschinen durchsetzen, die als erste mit einem berühmte RPG aufwarten konnten - speziell, wenn es aus dem Hause Square stammte.

Nun, das tut "Evolution" nicht, und es darf bezweifelt werden, dass dieser Titel ernsthaft zum Aufstieg der Dreamcast beitragen kann. Den Anfang macht bereits die Hintergrundgeschichte: Der junge Abenteurer Mag Launcher versucht vergeblich, das Erbe seiner ruhmreichen Ahnen anzutreten. Ständig schnappen ihm geschicktere Kollegen die gefundenen Artefakte vor der Nase weg, und nicht selten muss er sich von der archäologischen Stiftung seines Heimatortes Pannam retten lassen. Aus diesem Grunde stehen er, sein Butler Gre Nade und ihre schweigsame Schutzbefohlene Linear Cannon auch mit 80.000 bei dieser "Society" in der Kreide, bis ihnen der Spieler unter die Arme greift. Um diese Schulden abzuarbeiten, erforscht die Gruppe die umliegenden Ruinen nach den Relikten einer antiken Hochkultur - und das wars im Großen und Ganzen auch schon!

Freilich, sobald einer der ersten vier von insgesamt fünf Dungeons (verwirrt?:-) abgeschlossen ist, wird in einer kurzen Zwischensequenz die Rahmenhandlung mit der anrückenden achten imperialen Armee weitererzählt. Diese ist auf der Suche nach "Evolutia", dem ultimativen Cyframe. Diese High-Tech-Werkzeuge können nur von wenigen Menschen (wie beispielsweise Mag) bedient werden und entstammen ebenfalls den Ruinen der vergessenen Zivilisation. Schnell wird klar, dass der Oberbefehlshaber der achten Armee, Kronprinz Eugene, nichts Gutes im Schilde führt. Nachdem er Linear gekidnappt hat, kommt es an Bord seines Schiffes zur entscheidenden Schlacht, und... das Spiel geht weiter. Höchstwahrscheinlich kam einem Designer der durchaus richtige Gedanke, dass 20 Stunden Spielzeit allein wohl keinen Hitgaranten ausmachten, weshalb der gute Mag anschließend neue Schulden in Höhe von 200.000 (!) Credits aufgebrummt bekommt. Dann mal viel Spaß beim Abarbeiten...

Gameplay



Genau so einfallslos wie die oben (bis auf ein paar Feinheiten vollständig!) aufgeführte Story gibt sich auch das eigentliche Spiel. Man besucht in fast beliebiger Reihenfolge diverse Dungeons, deren Aufbau von einem Zufallsgenerator jedesmal neu entworfen wird. In Truhen finden sich Heiltränke, Waffen und antike Schätze, welche in der Stiftung verkauft werden können - die einzige Möglichkeit, um abgesehen von der Dungeonprämie etwas Geld zu verdienen. Da es nicht möglich ist, wieder in die bereits besuchten Ebenen zurückzukehren, können die Kerker und Türme nur über spezielle Teleporter verlassen werden, welche ebenfalls zufallsgesteuert alle paar Ebenen zu finden sind. Allerdings darf man seine Suche nicht wieder im selben Stockwerk fortsetzen, sondern muss zwei Etagen höher bzw. tiefer wieder beginnen. Dumm nur, dass das Inventar nur 32 Gegenstände fasst, weshalb man alle Nase lang zurück in die Stadt eilen muss.

Ansonsten hält das Spiel nicht allzuviele Feinheiten bereit: Die Dreierparty besteht den Großteil des Spiels über aus Mag und Linear, als Dritte im Bunde lassen sich Butler Gre, Nachwuchsheldin Chain Gun (kein Witz, die Namen rühren alle von irgendwelchen Waffen her) sowie die später hinzugekommene Abenteurerin Pepper Box rekrutieren. Erschlagene Feinde ermöglichen das Lernen neuer Spezialtechniken, welche allerdings nur im Kampf zum Einsatz kommen; nicht einmal Heilzauber können außerhalb einer Feindbegegnung gesprochen werden. Dies ist im Großen und Ganzen jedoch kein Problem, da sich die Gegner in ihrer Stärke stets an der Heldenparty orientieren und überdies schon vor dem Gefecht auf dem Bildschirm sichtbar sind. So kann man sie mit etwas Übung immer im Rücken angreifen, wodurch man zwei Kampfrunden lang freie Bahn für Angriffe aller Art hat.

A propos Kampf: Die rundenweise ausgetragenen Gefechte sind sicherlich einer der besseren Aspekte des Spiels. Zwar werden auch sie mit der Zeit langweilig (Kunststück - es gibt ja nichts Anderes zu tun), doch ist der taktische Einsatz von Formation und Spezialattacken zumindest anfangs recht unterhaltsam. Hat man allerdings gelernt, welche der wenigen Gegnertypen wogegen besonders anfällig sind, verkommen die Prügeleien sehr schnell zu reinen "Gesundstoß"-Aktionen: Jeder normale Angriff bringt eine bestimmte Anzahl von Fertigkeitspunkten zurück, welche ihrerseits den Einsatz der angesprochenen Kampfskills ermöglichen. Da diese sich ansonsten nur durch Items bzw. das Verlassen des Dungeons auffrischen lassen, ist man ständig auf der Suche nach Gegnern, die sich von hinten überrumpeln lassen. Sie besiegt man mit Hilfe normaler Attacken (gegen die sie sich in ihrer Überraschung ja nicht wehren können) und gewinnt so neben Erfahrungspunkten auch die nötigen Skillpunkte, um gegen die (bis auf Eugene) ebenfalls recht harmlosen Endgegner bestehen zu können.

Technik



Nette Ansätze, schwache Umsetzung, so lässt sich das Dilemma von "Evolution" zusammenfassen. Zwar ist die hochauflösende Spielgrafik komplett in praktisch clippingfreien und sehr sauberen Polygonen gehalten, doch wirken die kindlichen Akteure viel zu abstrakt, um wirklich gut auszusehen. Lediglich die Stadt und ansatzweise Mags Haus nutzen die Möglichkeiten, welche die frei rotierbare Perspektive bietet. In Dungeons dagegen herrscht die große Tristesse: Sämtliche Räume und Gänge bestehen aus quadratischen Feldern, auf welchen a) nichts, b) eine Falle oder c) eine Schatztruhe deponiert sein kann. Da hilft es nicht viel, dass sich nach der Hälfte der Ebenen das Erscheinungsbild der Bodenplatten ändert und ganz selten auch kleinere Jump'n'Run-Einlagen erforderlich sind, um zum Ausgang zu gelangen. Auch das Erscheinungsbild der Monster ist nicht gerade umwerfend - Insekten und Ratten stellen den Hauptteil der feindlichen Übermacht.

Schade eigentlich, denn rein qualitativ könnte die ruckfreie Vektoroptik durchaus überzeugen: Die Effekte der Kampfzauber und Spezialattacken wissen durch hübsche Funkenregen zu gefallen, die Gesichtstexturen der Helden sind nett animiert, und die in Echtzeit berechneten Cutscenes brauchen sich nicht hinter den seltenen (drei, wenn ich mich nicht irre) vorberechneten Videos zu verstecken. Auch die Musikbegleitung ist recht gut gelungen, auch wenn die jeweilige Dungeonmelodie nach jedem Kampf wieder von vorn beginnt. Nach Beenden des Spiels lassen sich alle 43 Stücke (darunter auch Intro- und Siegessamples) auf der Jukebox im Pannamer Saloon abspielen. Unnötig zu erwähnen, dass Sprachausgabe wieder einmal nur in kurzen Samples während der Kämpfe vorhanden und das Spiel komplett in englischen Untertiteln gehalten ist, oder?

Ergebnis



Was soll ich noch sagen? Ich habe Mag über 37 Stunden lang begleitet, und es war nichts als Arbeit. Ich habe ihn durch vier Dungeons gehetzt, tausende von Monstern erledigt, habe Eugene besiegt und den kurzen Abspann betrachtet. Anschließend musste ich mich über die völlig an den Haaren herbeigezogenen Neuschulden ärgern und habe - nur um meinen guten Willen zu beweisen - noch zwei zusätzliche Dungeons (immerhin knapp 60 Levels) gelöst, bevor es mir endgültig zu bunt wurde. Oh ja, vermutlich bekommt man noch ein finales Geschenk, wenn man wieder schuldenfrei ist, aber mal im Ernst: Wer nach 37 Stunden erst 140.000 Credits verdient hat und nochmals die gleiche Summe benötigt, um die Bank auszuzahlen, der darf zu Recht sauer sein. Zumal das Geldverdienen noch nie so eintönig war wie hier - rein in den Dungeon, Monster töten (Warum eigentlich? Ich bin doch schon auf Level 92), Schatztruhen öffnen und Items verkaufen... wie öde! Und das noch mal so lange, ohne Aussicht auf unterhaltsame Zwischensequenzen und weitere Handlungselemente? Nein danke.

Erinnert sich noch jemand an "Lufia" (SNES)? Dort gab es einen Bonusdungeon, der quasi das gesamte "Evolution" enthält: 99 zufallsgenerierte Levels voller ebenfalls sichtbarer Monster und Schatztruhen - tja, als Bonusfeature sicherlich eine nette Idee, als eigenständiges Spiel jedoch eindeutig zu wenig. (Markus Ziegler)

Wertung