Final Fantasy VIII

Entwickler:  Square(soft)
Vertrieb:  Sony
Genre:  Rollenspiel
Spieler:  1
System:  Playstation

Vorwort



"Du kannst meinetwegen meine Freundin haben, aber die dritte CD brauch' ich", so die Worte eines Bekannten, dem ich das Spiel CD für CD ausleihen mußte. Fachzeitschriften überschlagen sich, Gamefaqs.com führt "Final Fantasy VIII" seit Wochen auf Platz eins der Download-Top-Ten. Selbst Nicht-Spieler geraten angesichts der bombastischen Fernsehwerbung ins Schwärmen - was also ist dran am neuesten Teil der erfolgreichsten
Rollenspielserie der Welt?

Nun, da wäre zum einen natürlich die traditionell hochkomplexe und ausschweifende

Story



Wie in der Reihe üblich, wurde auch für FF8 eine komplett neue Welt erschaffen, in der es von Magie, aber auch von High-tech nur so wimmelt. Der Spieler schlüpft in die Rolle des jugendlichen Squall Leonhart, eines Absolventen der Söldnerakademie SEED. Wie es sich für einen echten SEED gehört, werden er und seine KameradInnen anfangs kreuz und quer durch die Weltgeschichte gesandt und folgen blind ihren Anweisungen, bevor sie ihr Geschick (und das des ganzen Planeten) selbst in die Hand nehmen. Sinn und Zweck der "Garden" genannten SEED-Ausbildungszentren ist es nämlich, die Welt vor den Hexen zu beschützen. In jeder Generation versucht eines dieser größenwahnsinnigen Überwesen, die Menschheit zu versklaven, das Universum zu zerstören oder ähnlich makabre Pläne in die Tat umzusetzen. Und jetzt ratet mal, auf wen unsere Helden angesetzt werden... bingo!

Natürlich entwickelt sich diese Geschichte erst ganz allmählich, schließlich bieten die ersten drei CDs (die vierte dient eigentlich nur dem großen Finale sowie dem ca. viertelstündigen Abspann) genügend Platz für überraschende Wendungen, Nebenquests und Gespräche ohne Ende. So kann es kaum verwundern, daß aus den anfänglichen Rivalen Squall und Cifer (heißt in der englischen Version Seifer) erbitterte Todfeinde oder aus der scheinbaren Obergegnerin eine tapfere Mitstreiterin wird. Am interessantesten ist allerdings die Entwicklung des Hauptcharakters zu verfolgen: Durch seine Beziehung zu der lebhaften Rinoa wandelt sich der verschlossene Einzelkämpfer Squall in einen verantwortungsvollen Anführer, welcher sich sogar in den Weltraum schießen läßt, um seine Angebetete zu retten!

Weniger gelungen, aber für das Verständnis der Hintergründe notwendig sind die gelegentlichen Rückblenden, in denen eine komplett andere Dreierparty gesteuert wird, mit der man sich eigentlich nie so richtig anfreundet (obwohl die Jungs später auch in der Gegenwart zu sehen sind). Leider bleiben ungeachtet dieser Bemühungen einige Fragen bis zum Schluß unbeantwortet, und mit der Logik nimmt es die Story auch nicht immer ganz genau. Dennoch motiviert die Handlung nach einigen anfänglichen Hängern immer wieder zum Weiterspielen - und das ist schließlich das Wichtigste!

Gameplay



Eine weitere unverrückbare Square-Regel besagt, daß jedes neue FF-Spiel über ein eigenes Magiesystem zu verfügen hat - jawohl, die beliebten Materia-Kombinationen des Vorgängers mußten dem nochmals innovativeren, aber leider auch deutlich komplizierteren Junction-System weichen. Dieses funktioniert in etwa folgendermaßen:

Über die ganze Welt verstreut finden sich 16 Guardian Forces (plus 3 1/2 zusätzliche:-), welche eng mit den beschworenen Monstern aus Teil 7 verwandt (zum Teil identisch) sind. Diese Wesen verfügen über eigene Attribute, Lebenspunkte und Fähigkeiten, die jedoch erst wirksam werden, wenn sie (die Wesen) mit Partymitgliedern gekoppelt werden. Sobald dies geschehen ist, darf die betreffende Spielfigur, welche ansonsten im Kampf weder Items benutzen noch Zauber wirken kann, auf das Repertoire der Guardian Forces (kurz G.F.) zugreifen. Neben den erwähnten Item- und Magie-Befehlen ist hier vor allem die "Draw"-Funktion wichtig: Das Ziehen von Gegnern ist die mit Abstand wichtigste (und über lange Zeit einzige) Quelle für Zaubersprüche, welche nicht wie gewohnt einmal erlernt oder erworben werden. Stattdessen speichert jeder Charakter maximal 32 verschiedene Zaubersprüche, von denen er jeweils bis zu hundert Stück anhäufen und beliebig mit seinen Kollegen tauschen kann.

Mit zunehmender Erfahrung kommen auch immer neue Spezialtechniken ins Spiel, beispielsweise das Raffinieren eines mächtigen Zaubers aus mehreren schwächeren oder passenden Items bzw. das Verwandeln eines Gegenstandes in einen anderen. Auf diese Weise füllt sich das Zauberarsenal rasch an, und man führt quasi ständig eine Reserve der wichtigsten Spells mit sich. Das ist deshalb so wichtig, weil eine Haupteigenschaft der G.F.s darin besteht, die Charakterattribute der Helden mit diversen Zaubern zu koppeln und somit um ein Vielfaches zu erhöhen. Wer also 100 Ultima-Sprüche gespeichert hat, verfügt im Handumdrehen über 9.999 Hitpoints, hat Bärenkräfte oder kann seine Element-Abwehr (ähnlich wie in FF7) maximieren. Was übrigens nicht im Handbuch steht, aufgrund des eingeschränkten Platzes aber später sehr nützlich sein kann: Durch einen Druck auf die Quadrat-Taste (die Button-Belegung ist erstmals auch frei konfigurierbar!) lassen sich Zauber auch wegwerfen. Wer also keine Verwendung mehr für seinen schwachen Feuerzauber sieht, muß ihn nicht hundertmal aussprechen, um Platz im Spruchmenü zu schaffen - ich hab's einmal versucht, oh Mann...

Bleiben wir noch einen Moment im Menü, genauer gesagt bei der Heldenausrüstung: Kurz gesagt, es gibt sie nicht mehr! Rüstungen scheinen bei Seed keinen hohen Stellenwert einzunehmen, und Waffen lassen sich nicht mehr kaufen (stattdessen findet man gelegentlich Anleitungen für Umbauten, welche dann ein Schmied gegen Lieferung der benötigten Einzelteile und geringe Entlohnung vornimmt). Da fragt man sich doch, warum ständig das SEED-Gehalt (richtig, nach Kämpfen gibt's keine Kohle mehr) überwiesen wird! Ich zumindest habe das Spiel als mehrfacher Millionär beendet, ohne jemals zu erfahren, wozu ich die Moneten wohl gebraucht haben könnte. Gut, ich habe tapfer alle Fragebögen (geschickt im umfangreichen Online-Tutorial versteckt) beantwortet, um meinen Rang auf Level 30 bzw. später Level A zu verbessern, dennoch kann ich mir nicht vorstellen, daß man sich bei Square zu diesem Punkt mehr als eine halbe Stunde lang Gedanken gemacht hat!

Wo ich gerade beim Meckern bin: Nette Idee, daß die Gegner mit zunehmender Erfahrung ebenfalls stärker werden und neue Zauber bzw. mehr Erfahrungspunkte liefern, doch wozu? Die Levelanstiege (entgegen der Tradition ist diesmal nicht bei Stufe 99, sondern erst bei 100 Schluß) erfolgen im fixen 1.000-Punkte-Takt, was zur Folge hat, daß schwächere Charaktere die stärkeren (speziell Squall) niemals einholen können. Toll!!! Zum Trost sei gesagt, daß es ab der dritten CD kinderleicht ist, alle Helden auf Stufe 100 zu pushen, da die meisten Gegner dort über 1.000 Erfahrungspunkte wert sind, und man dann nur so die Levelleiter hinaufstolpert. Kurioserweise erhält man in Kämpfen gegen Pflichtgegner (nicht nur Bosse) überhaupt keine EPs - ich frage mich ernsthaft, wer sich diesen Schwachsinn ausgedacht hat...

Kommen wir wieder zu den erfreulicheren Seiten dieses Spiels: Die zahlreichen Zufallskämpfe werden im altbekannten ATB-System (Active Time Battle) ausgetragen. Das bedeutet, daß die Zeit prinzipiell stetig weiterläuft und jeder Kämpfer erst dann zum Zug kommt, wenn sein Zeitbalken vollständig gefüllt ist. Im Optionsmenü lassen sich wieder Entscheidungen über die Kampfgeschwindigkeit treffen, außerdem bleibt es jedem selbst überlassen, ob die Zeit und damit auch die Angriffe der Gegner eingefroren werden, sobald man das Auswahlmenü aufruft (sehr zu empfehlen). Ein neues Feature sind die eingangs erwähnten G.F.-Abilities: Da außer der Attacke nur drei Fähigkeiten im Kampf zugelassen sind, gilt es, seine Party gut vorzubereiten. In der Regel wird die Kombination Draw (Zauber ziehen) - Magie - und G.F. die beste Wahl darstellen, vor schweren Schlachten empfiehlt sich jedoch zumindest bei einem Charakter das Umstellen auf den Item-Befehl oder zusätzliche Optionen wie Heilen und Wiederbeleben. Die restlichen Spezialfähigkeiten sind leider derart ineffektiv, daß sie in der Regel nur einmal ausprobiert und danach schnell wieder vergessen werden - mit Ausnahme des Karten-Befehls.

Karten? Ganz recht. Konnte man in FF7 weidwunde Gegner noch in ein Item verwandeln, so sind es jetzt Sammelkarten, welche in einem überall anzutreffenden Bonusspiel zum Einsatz kommen. Schade nur, daß es überhaupt nichts bringt, alle der zum Teil unverschämt gut versteckten Karten aufzutreiben. Genauso schade übrigens, daß dieses "Triple Triad" das einzige Bonusspielchen in ganz FF8 darstellt - mal abgesehen von dem nur mit der hierzulande nicht verkauften Pocketstation spielbaren Tamagotchi-Klon "Chocobo World". Hach, das waren noch Zeiten, als wir mit Cloud Strife auf U-Boot-Jagd gegangen, Motorrad oder Snowboard gefahren sind und in der Arena um unser Leben bzw. grandiose Preise gekämpft haben...

Technik



Nun ja, ein Gutes hat selbst dieses Manko: Die Grafiker konnten sich ganz auf das eigentliche Spiel, die Kämpfe und die Zwischensequenzen konzentrieren. Ein gern gebrauchter Spruch ist: "Das Spiel xy reizt die Playstation bis zum äußersten aus!" Hier trifft er tatsächlich zu. Die Effekte bei der Zeitreise auf CD 4 zählen zum besten, was ich jemals auf der (immerhin schon über fünf Jahre alten) Playstation gesehen habe, die gerenderten Zwischensequenzen sind es sowieso. Tja, alles könnte so schön sein, wenn sich die PAL-Konvertierer ein wenig mehr Mühe gegeben hätten! So trüben fette NTSC-Balken ein wenig die Freude, und wer schon die US-Version gespielt hat, wundert sich, warum alle Charaktere nun so... pummelig aussehen. Naja, man kann sich daran gewöhnen, schließlich muß man sich im Gegenzug nicht mehr mit den störenden Kopffüßlern aus FF7 herumärgern. Alle Figuren werden jederzeit als normal große Erwachsene dargestellt, was dem Gesamteindruck sehr zugute kommt.

Auch beim Sound gibt es standesgemäß nur einen Kritikpunkt: die nicht vorhandene Sprachausgabe! Wenn man sich überlegt, welche Mühe die Andromeda-Programmierer seinerzeit auf "Panzer Dragoon Saga" für den Saturn verwendet haben (eine eigene Sprache wurde dafür kreiert), ist es unverzeihlich, daß alle Videos pantomimisch ablaufen. Abgesehen davon jedoch ist alles bestens: Die Musikstücke sind eingängig wie eh und je, die Samples (beispielsweise die Fanfare nach siegreich bestandenen Kämpfen) erinnern angenehm an die Vorgängerspiele. Ein Lob erntet auch die deutsche Übersetzung, wenn auch einige Monsternamen sehr seltsam klingen ("Lebensverbieter" für "Forbidden"? Oh behave!) und die Coolness bestimmter Charaktere (z. B. Irvine) stellenweise etwas bemüht klingt. Andererseits - nach dem Fiasko in "Final Fantasy VII" wäre wahrscheinlich selbst eine Lokalisierung auf "Granstream Saga"-Niveau eine positive Überraschung gewesen.

Ergebnis



Bombastische Grafik (mit kleinen PAL-Abstrichen), nette Helden, interessante Story - was kann man noch mehr wollen? Nun, um ganz ehrlich zu sein, bin ich trotz aller Jubelreden in der Presse etwas enttäuscht vom achten "Final Fantasy". Das liegt hauptsächlich an kleinen Schnitzern im Gamedesign, die ich von einem renommierten Developer wie Square einfach nicht gewohnt bin. Zudem vermisse ich schmerzlich die vielen kleinen Mini-Games der Vorgänger, welche immer wieder eine willkommene Abwechslung im Rollenspiel-Alltag darstellten. Daher betrachte ich die finale Gesamtnote als eine "9 gnadenhalber", halte "Final Fantasy VII" aber nach wie vor für das bessere Spiel. Naja, Schwamm drüber, Spaß macht wie gesagt auch der achte Teil, und das zählt! Hier noch einmal meine Lob- und Kritikpunkte im Schnelldurchlauf:

Die wichtigsten Pluspunkte
 

  • Die Grafik: Keine Frage, was die Japaner hier aus der fünf jahre alten Hardware herauskitzeln, ist meisterhaft. Abstriche gibt es lediglich für die PAL-Konvertierung.

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  • Die Helden: Auch wenn man anfangs denkt: "Oh Gott, was für Unsympathen, bin ich denn hier beim Bund?", freundet man sich doch recht schnell mit den liebenswerten Chaoten und ihren Eigenheiten an. Dazu kommt, daß echte Psychopathen und Verräter wie in FF7 praktisch nicht existieren.

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  • Das Magiesystem: Square schafft es doch immer wieder, etwas Neues zu erfinden. Das Prinzip mit Draw und Junction ist erfrischend unverbraucht!

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    Die größten Kritikpunkte
     

  • Das Erfahrungssystem mit seinen im Rang aufsteigenden Monstern und fixen Aufstiegsstufen: Es entsteht eine immer größer werdende Kluft zwischen dem Level des Helden und dem seiner Mitstreiter (ca. 2:1), außerdem ist es ab CD 3 problemlos möglich, pro Kampf über 1.000 Erfahrungspunkte und somit eine ganze Stufe zu gewinnen!

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  • Das Magiesystem: Wie, erst loben und jetzt tadeln? Ja. Die Idee als solche ist zwar sehr originell, doch irgendwann scheint die Optionsflut den Designern über den Kopf gewachsen zu sein. Als Resultat zieht man wie eine alte Marktfrau durch die Welt und hortet Zaubersprüche, ohne sie je zu benutzen - schließlich will man seine wichtigen Statistiken ja nicht schwächen!

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  • Das Finanzsystem: Spitze! Wozu die Kohle, wenn ich dann doch nichts dafür kaufen kann bzw. muß? Damit ich mir nach Spielende irgendwo eine eigene Insel pachten kann, vielleicht?

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  • Die fehlenden Bonusspielchen: Zugegeben, das Kartenspiel "Triple Triad" ist nett und sorgt dank variabler Regeln immer wieder für Abwechslung, Actioneinlagen sind bis auf die Mini-Prügelei mit dem galbadischen Fallschirmjäger auf Disc 2 jedoch Mangelware, und selbst diese Sequenz stellt eher eine lästige Pflicht dar.

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  • Keine Erfahrungspunkte bei Boßgegnern: Fein, fein! Aber die Guardian Forces kriegen bei der selben Gelegenheit massig Ability Points. Wo bleibt da die Gerechtigkeit?

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    So, das soll genügen. Wie schon (zweimal) gesagt, Spaß macht das Teil trotzdem, aber nach einmaligem Durchspielen (immerhin über 100 Spielstunden) fehlt mir persönlich jegliche Motivation, es irgendwann ein zweites oder gar drittes Mal zu versuchen. Und dieser Reiz ist bei etlichen anderen Rollenspielen eben doch vorhanden... (Markus Ziegler)

    Wertung