Grandia

Entwickler:  Game Arts
Vertrieb:  Ubi Soft
Genre:  Rollenspiel
Spieler:  1
System:  Playstation

Story



Bereits vor Jahren erschien dieses niedliche Rollenspiel für den Saturn, allerdings kündigte sich der Niedergang von Segas 32-Bit-Konsole bereits an, bevor das Spiel Japan verlassen konnte. Jetzt liegt Grandia dank Ubi Soft endlich auch dem deutschen (Playstation-) Publikum vor, allerdings lediglich in einer englischen und gegenüber dem Original angeblich leicht zensierten Fassung.

Der Spieler übernimmt dabei die Rolle von Justin, einem jungen Nachwuchsabenteurer, der noch immer am Rockzipfel seiner Mutter hängt. Ihm zur Seite steht seine enge Freundin Sue mit ihrem Maskottchen Puffy, im Laufe der zwei CDs stoßen allerdings noch sechs weitere Charaktere für mehr oder minder lange Zeitspannen zur Party. Im Gegensatz zur "Final Fantasy"-Reihe legt "Grandia" weniger Wert auf bombastische Endgegner, heroische Großtaten und weltweite Krisen, stattdessen konzentrierten sich die Entwickler auf eine möglichst glaubwürdige Darstellung der zum Teil doch recht infantilen Charaktere. So gilt es beinahe ebensoviele Dialoge wie Monsterkämpfe zu bestehen, was einem jedoch durch die sich je nach Stimmung des Sprechers verändernden Charakterbilder versüßt wird. Obwohl die Rahmenhandlung um sagenumwobene Flugmenschen und die Suche nach ihrer legendären Stadt sich also über mehrere Kontinente zieht, bleibt das Spiel hübsch übersichtlich, da die Party bzw. ihre Kontakte zur Außenwelt stehts im Mittelpunkt des Interesses stehen.

Gameplay



Ebenso traditionell wie die Storyline gibt sich das Gameplay - zumindest auf den ersten Blick: Justin & Co. ziehen durch eine vom Spieler rotierbare 3D-Welt auf der Suche nach Items, Gegnern und Gesprächspartnern. Auch wenn einen das Spiel anfangs etwas ins kalte Wasser wirft (eben ist man noch ein rotznäsiger 9(?)jähriger Junge mit einem Holzschwert, im nächsten Moment kämpft man um sein Leben), finden sich Rollenspieler schnell zurecht.

Dennoch unterscheidet sich "Grandia" in einigen Punkten klar vom Einheitsbrei der Japano-Rollis. So werden Kämpfe beispielsweise nicht als Zufallsbegegnungen gestartet - die Gegner sind ständig sichtbar und können durch geschicktes Manövrieren auch überrumpelt und im Rücken angegriffen werden. Das verschafft der Party einen Vorteil im von "Final Fantasy"s Active Time Battle inspirierten Rundenkampf. Hier füllt sich die Aktionsleiste der einzelnen Charaktere abhängig von ihrer Schnelligkeit. Ist sie fast vollständig aufgeladen, pausiert das Spiel und bietet dem Helden seine verfügbaren Optionen an, welche anschließend ausgeführt werden und unterschiedliche Zeitspannen in Anspruch nehmen. Zwei Angriffsarten, Verteidigung, Gegner Inspizieren, Special Moves, Magie oder Weglaufen steht zur Auswahl, alternativ können auch diverse KI-Optionen aktiviert (und jederzeit wieder abgebrochen) werden, wodurch die Schlachten voll automatisch und ohne Pause ablaufen, was bei schwachen Gegnern sehr angenehm ist.

Im Anschluß an jeden Kampf gewinnen die Helden Erfahrungspunkte und Goldstücke sowie abhängig von ihren gezeigten Leistungen Skill Points in verschiedenen Waffen- und Magiekategorien. Durch dieses Feature erhält der Spieler die Möglichkeit, zumindest ansatzweise in die Entwicklung seiner Charaktere einzugreifen. Ein Special Move erfordert einen Skill Level von 12 mit dem Schwert und 15 mit dem Knüppel? Dann her mit dem Morgenstern, um die fehlenden Stufen möglichst schnell zu erklimmen! Allerdings hat dieses System den Nachteil, daß es verhältnismäßig schwierig ist, einen rundum ausgeglichenen Kämpfer zu züchten, da hierzu auch Verteidigungs- und Heilzauber gehören. So ertappt man sich auf späteren Stufen dabei, sichere Siege durch eigentlich unsinnige Zaubersprüche unnötig hinauszuzögern, nur um die erforderlichen Skill Points für einen weiteren Level einzustreichen.

Passend dazu ist auch die Menüführung ein klitzekleinwenig umständlich ausgefallen. Es gibt nicht etwa ein gemeinsames Inventory, aus welchem man sich mit Waffen ausrüsten oder Tränken heilen kann, nein, Rüstungen müssen beispielsweise in einem gesonderten Equip-Screen angelegt bzw. unter den Charakteren hin und herverschoben werden. Darüber hinaus ist das Heldengepäck auch nur begrenzt aufnahmefähig, weshalb man deutlich öfter als im Genre üblich die verschiedenen Shops aufsuchen muß.

Technik



"Grandia" bedient sich ebenso wie seinerzeit "Xenogears" einer Mischung aus 2D- und 3D-Grafiken sowie (eher selten) ordentlich gerenderter Zwischensequenzen. Während die Städte und Dungeons komplett aus durchaus ansehnlichen Polyongebilden bestehen, wirken die zweidimensionalen Bitmap-Figuren wie immer bei solchen Versuchen etwas in ihre (rotierende und zoomende) 3D-Umgebung hineinkopiert. Das ist beileibe kein Beinbruch für Genreveteranen, im Zeitalter von "Final Fantasy IX" wirkt der Mix jedoch ein wenig antiquiert - zumal das Geschehen bei hohem Polygonaufkommen merklich verlangsamt wird und mitunter auch heftig ruckelt.

Auch die englischen Synchronstimmen erreichen bestenfalls das Niveau eines knapp durchschnittlichen Animes. Synchronstimmen? Ganz recht: An vielen, mehr oder weniger wichtigen Punkten des Spiels begnügen sich die Dialoge nicht mit dem üblichen Textwust, sondern werden von echter Sprachausgabe begleitet. Trotz deren durchwachsener Qualität bedeutet dies einen enormen Schritt in die richtige Richtung! Um die Atmosphäre weiter zu steigern, werden (wie bereits eingangs erwähnt) Charakterporträts des jeweiligen Sprechers eingeblendet, welche seine Stimmung wiedergeben. Ein nettes Feature, das allerdings auch schon bei vielen anderen Japano-Rollenspielen zu finden ist.

Schließlich noch ein paar kurze Worte zur Musikbegleitung: Hier gibt es endlich einmal wieder rein gar nichts auszusetzen. Passend zur Lokation und Situation (Kämpfe, Hinterhalte, Dungeons...) umschmeicheln angenehme Melodien das Ohr, welche sich keineswegs vor der in diesem Genre generell starken Konkurrenz (man denke nur an die ungezählten Import-Soundtracks) verstecken müssen.

Ergebnis



"Besser als 'Final Fantasy'", lautet die kaum verhohlene Botschaft der "Grandia"-Werbung. Nun, ganz kann ich dem nicht zustimmen. "Anders und trotzdem sehr gut", träfe es da schon eher. Letztlich ist es seine eigene Bescheidenheit, die dieses Spiel den Sieg kostet, denn so nett es auch ist, sich mit seiner Party zu beschäftigen und die Streitereien seiner Mitkämpfer zu schlichten - irgendwann dümpelt das Spielgeschehen nur noch so vor sich hin. Hier wären dann ein paar dramatischere Heldentaten gefragt, um die Motivation aufrechtzuerhalten. Freilich, der umgekehrte Weg, wie ihn beispielsweise FF8 propagierte (ein Highlight jagt das nächste, dazwischen versackt das Spiel mangels Abwechslung jedoch in der Langeweile), ist ebenfalls nicht optimal, sorgt jedoch immerhin regelmäßig für Ahs und Ohs vor dem Monitor.

So bleibt unter dem Strich ein umfangreiches und in manchen Belangen durchaus originelles Rollenspiel, das vergeblich versucht, das Attribut "nett" abzustreifen. Fans dürfen sich jedenfalls schon jetzt Appetit auf den mit reichlich Vorschußlorbeeren überhäuften Dreamcast-Nachfolger "Grandia 2" holen, welcher Anfang August in Japan erscheint. Gut möglich, daß dann wirklich Rollenspielgeschichte geschrieben wird... (Markus Ziegler)

Wertung