Jet Set Radio

Entwickler:  Sega
Vertrieb:  Sega
Genre:  Skate-Action
Spieler:  1
System:  Dreamcast

Story


Inline-Skates sind (noch immer) in, Graffiti waren noch nie richtig out, und fette Hip-Hop-Klänge können ebenfalls nicht schaden: "Jet Set Radio" wendet sich ab von allen Konventionen und darf wohl als die erste "Graffiti sprühen auf Inline-Skates"-Simulation der Welt betrachtet werden.

Gameplay


Bandenkrieg mal anders: Die Gangs in Tokyoto (unschwer als Comic-Variante von Tokio zu erkennen) rasen auf speziell angefertigten Inline-Skates durch die Gegend und crossen (übersprühen) die Graffiti der Konkurrenz. Das ist auch schon der Kern des Spiels. Klingt einfach? Nuuun: Was, wenn einige der "Tags" an sehr schwer erreichbaren Stellen wie zum Beispiel fünf Meter über dem Erdboden zu finden sind? Was, wenn ein Zeitlimit und Straßenverkehr das Sammeln der Farbdosen erschweren? Was, wenn die gesamte Tokioter Polizei sowie Paratroopers, Panzer und Apache-Kampfhubschraubern hinter den jugendlichen Delinquenten her sind? Noch immer nicht hart genug? Tja, dann lassen wir in den letzten der gut 20 Levels eben noch einen fiesen Konzern seine Elite-Terroristen in die Schlacht werfen - na, wie klingt das?

Wie dem auch sei, ganz schutzlos sind die unbeugsamen Sprayer natürlich nicht: Die Lebensenergieleiste hält schon ein paar Treffer aus und lässt sich durch das passende Sammelextra (lecker, Blutkonserven!) wieder auffrischen. Zudem hängt man durch kurze Zwischenspurts die hartnäckigen Verfolger ab oder wechselt mit Hilfe von Rampen, Aufzügen oder einfach durch einen beherzten Sprung das Schlachtfeld, was bei den zurückgelassenen Widerlingen nicht eben Hochstimmung hervorruft. Selbst die Schwerkraft ist auf der Seite des Spielers: Ein 20 Meter tiefer Sturz? Kein Problem, kostet nur ein Lächeln (und etwas Energie), schon steht er wieder. Ein Geländer HOCHgrinden? Die leichteste Übung. Fünfmal hintereinander an senkrechten Plakatwänden abspringen, ohne den Boden zu berühren? Nicht ganz einfach, aber durchaus möglich.

Wer es bislang noch nicht erraten hat, dem sei es hier nochmals im Klartext gesagt: "Jet Set Radio" kümmert sich einen Dreck um Kleinigkeiten wie Realismus oder Naturgesetze - und das ist auch gut so! Trotz der nicht gerade präzisen und oftmals sogar richtiggehend lästigen Analogsteuerung macht es ganz einfach einen tierischen Spaß, durch die Lüfte zu segeln, im Flug ein Graffito zu crossen, anschließend auf einem Geländer zu landen, weiterzugrinden, bis man kurz an einer Wand abspringt und auf einem Häuserdach landet. Die Grinds und Wall Rides laufen dankenswerterweise vollautomatisch ab, ja, hin und wieder ist es schon schwierig, NICHT auf einer geeigneten Kante zu landen!

All diese Spezialtechniken erlernt man nach und nach in den zahlreichen Herausforderungen potenzieller Gangmitglieder. Hat man diesen gezeigt, dass man ihren Kriterien genügt (beispielsweise indem man sie in einem Rennen schlägt), treten diese der eigenen Truppe bei und können fortan ebenfalls angewählt werden. Derlei Intermezzi stellen jedoch nur kurze Auflockerungen dar, den Löwenanteil machen die zuvor beschriebenen "Übersprühe alle vorgegebenen Tags"-Levels aus. In Bosskämpfen müssen zudem die Gegner selbst besprüht werden, wie es auch sonst etliche Bonusziele (Polizeiwagen etc.) in den verwinkelten Levels zu finden gibt. Leider existiert keine Option, Missionen direkt anzuwählen und zu wiederholen, nach dem Durchspielen werden jedoch drei weitere Spielmodi (Rennen, freies Sprühen im ganzen Stadtteil und Trickpunkte Sammeln) freigeschaltet.

Technik


Als die ersten Videos veröffentlicht wurden, trauten die Leute ihren Augen kaum: "Jet Set Radio" ist ein dreidimensionaler Zeichentrickfilm! Plakative Farben, schwarze Umrisse und eine Anime-typische Schattierungstechnik tauchen Tokio in einen fantastischen Cartoon-Look, zu dem die übertriebenen Aktionen von Freund und Feind (wie gesagt: Kampfpanzer und Hubschrauber in der Innenstadt) vorzüglich passen. Hinzu kommen per Motion-Capturing erstellte Animationen, welche selbst in der x-ten Wiederholung des Intro-Demos noch eine Augenweide sind. Bei all den Details fällt es kaum auf und auch nicht weiter ins Gewicht, dass unwesentliche Objekte wie die umwerfbaren Fahrräder und Werbeplakate oft erst kurz vor dem Spieler sichtbar werden. Auch die gelegentlichen Slowdowns und Ruckler in besonders dicht bevölkerten Gegenden verzeiht man angesichts der gebotenen Polygonmenge gerne. Im Ernst: Diese Optik muss man gesehen haben, und Sega täte gut daran, daraus ein Dreamcast-Markenzeichen (ähnlich dem Zelda/Mario/Pokemon-Look des N64) zu machen.

Ähnlich Positives gibt es vom Sound zu berichten, nicht umsonst meldet sich der durchgeknallte DJ des titelgebenden Piratensenders in fast allen Zwischensequenzen zu Wort. Bei der breiten Palette an ausgezeichneten Musikstücken kommen lediglich die Soundeffekte etwas zu kurz, und auch die (englischen) Ausrufe der Gegner sind nicht wirklich der Rede wert - echte (deutsch untertitelte) Sprachausgabe gibt es praktisch nur vom erwähnten DJ zu hören.

Ergebnis


Es ist mittlerweile eine anerkannte Tatsache: Niemand produziert derart innovative Spiele wie Sega, und "Jet Set Radio" ist ein neuerlicher Beweis dafür. Leider krankt das Spiel wie schon einige seiner Vorgänger ("Virtua Tennis", "Space Channel 5") an kleinen Details, die sich eigentlich mit Leichtigkeit verbessern lassen müssten: Warum existiert kein Zweispielermodus, welcher ähnlich wie der "Graffiti"-Modus in "Tony Hawk Skateboarding" die Motivation aufrechterhält, wenn der Kampf gegen die CPU-Schergen seinen Reiz zu verlieren droht? Warum kann man einmal gespielte Levels nicht wiederholen, beispielsweise, um sie seinen Freunden zu zeigen? Wieso lässt sich nur ein Spielstand pro Speicherkarte anlegen?

Aber wir wollen nicht kleinlich sein: "Jet Set Radio" bietet nicht zuletzt dank seines kontinuierlich ansteigenden Schwierigkeitsgrades eine spannende Herausforderung für Solisten in einer völlig neuartigen grafischen Umgebung, untermalt von passenden Hip-Hop- und Technoklängen. Wenn das wirkliche Leben nur halb so witzig wäre wie dieses Spiel, würde es in allen Städten von Graffiti nur so wimmeln... (Markus Ziegler)

Wertung