The Legend of Dragoon

Entwickler:  Sony
Vertrieb:  Sony
Genre:  Rollenspiel
Spieler:  1
System:  PS One

Story



Stolze 11.000 Jahre sind verstrichen, seit sich die Menschen gegen ihre geflügelten Ebenbilder auflehnten. Mit Hilfe von Drachen sowie der titelgebenden Dragoner (nein, „dragoon“ bedeutet nicht etwa „Drache“, obwohl das Wort von den Feuer speienden Musketen der Soldaten herrührt) konnte das fliegende Volk seinerzeit vernichtend geschlagen werden. Mit ihm verschwanden jede Form von Magie sowie überraschenderweise auch die mächtigen Drachen. Deren Seelen jedoch leben weiter in bestimmten Edelsteinen, welche ihren Besitzern die Gabe verleihen, sich in sagenumwobene Kämpfer, die besagten Dragoons, zu verwandeln. Davon ahnt der Söldner Dart freilich noch wenig, sorgt er sich doch genug um die Gerüchte eines aufkommenden Krieges. Als aber sein Heimatdorf von einer plündernden Armee niedergebrannt und seine Freundin entführt wird, beginnt für ihn eine Reise, in deren Verlauf er mit der Legende konfrontiert und selbst zum Drachenritter wird. Nach und nach schließen sich ihm acht Charaktere an, welche abwechselnd in die Dreierparty aufgenommen werden können und (fast) alle das Zeug zum Dragoon haben. Die beiden ersten Kampfgefährten (Freundin Shana und Ritter Lavitz) werden im Lauf des Abenteuers zwar durch andere Personen ersetzt, diese übernehmen jedoch exakt die erarbeiteten Erfahrungspunkte und Skills, wodurch die investierte Trainingszeit keineswegs vergeudet war.

„The Legend of Dragoon“ stellt Sonys In-house-Konkurrenz zu Squares berühmter „Final Fantasy“-Reihe dar - angefangen vom Look (aufwändige Rendersequenzen, Polygoncharaktere in vorgerenderten Kulissen, todschicke Zaubersprüche in Echtzeit-3D) über die episch angelegte Story bis hin zum Umfang (vier CDs) sind die Parallelen unübersehbar.

Gameplay



So rennt man FF-like per Analogsteuerung durch liebevoll (und sehr verwinkelt) angelegte Stadt- und Wildnisszenarien, durchforstet Häuser auf der Suche nach nützlichen Gegenständen und befragt die Bevölkerung in unzähligen Mini-Dialogen. Ein hilfreiches Cursor-System zeigt hierbei jederzeit die zugänglichen Ausgänge aus einem der fleißig scrollenden Bilder an, Herbergen und (Waffen-) Händler werden sogar durch eine eigene Farbe markiert, was die Orientierung stark vereinfacht. Der erste gravierende Unterschied wartet auf der dreifach zoombaren Weltkarte: Statt nach eigenem Gutdünken umherzuwandern, folgt die Party stets vorgezeichneten Wegen. Dies verhindert zwar einerseits unnötige Irrmärsche, zwingt dem Spiel jedoch andererseits eine unangenehme Linearität auf. Da man zudem andauernd von der straff aufgebauten Story (es existieren lediglich drei optionale Mini-Quests) weitergetrieben wird, bleibt nur wenig Raum für Kreativität. Da wiegt es umso schwerer, dass die Geschichte erst gegen Ende der zweiten CD richtig in die Gänge kommt, bis zu diesem Zeitpunkt schlägt man sich mit den stereotypen Heldenbeschäftigungen („Rette deine Freundin, verteidige ein Fort, erschlage einen Drachen!“) durchs Leben. Erst anschließend beginnt man sich wirklich für seine Heldentruppe zu interessieren und weiß die nach und nach aufgedeckten Intrigen und Verwicklungen zu schätzen.

Exakt das Gegenteil ist originellerweise beim Kampfsystem der Fall: Die zahlreichen Zufallsbegegnungen in Dungeons (hier weist das Heldenicon durch einen Farbwechsel auf drohende Schlachten hin) oder auf der Weltkarte machen zu Beginn einen Heidenspaß, welcher jedoch nach rund 15 Spielstunden merklich abflaut. Das liegt in erster Linie daran, dass praktisch alle Scharmützel nach dem gleichen Muster ablaufen: Mit zunehmender Erfahrung lernen die meisten Helden Zusatzangriffe, welche bei geschicktem Timing  (vergleichbar mit Squalls Gunblade-Attacken in „Final Fantasy VIII“) schmerzhafte Combos ergeben. Anfangs sind diese Geschicklichkeitstests noch überschaubar und unterhaltsam, zumal manche Gegner Konterattacken starten, welche durch einen weiteren Tastendruck abgewehrt werden. Bald jedoch merkt man, dass JEDER Kampfausgang nur von diesen Zusätzen abhängt, wodurch die ganze Geschichte etwas lästig wird. Magie kann nämlich ausschließlich in Dragoon-Form gewirkt werden (und auch dann sind nur wenige Zauberpunkte verfügbar), und die Transformation muss zuvor durch geglückte Combos „erkauft“ werden. Als Dragoon wiederum ist es unmöglich, Items zu benutzen oder Angriffe abzublocken, dabei ist speziell letzteres im Gegensatz zu den meisten anderen Genrevertretern ein äußerst nützliches Feature: Während eines Blocks erhält ein angeschlagener Charakter zehn Prozent seiner maximalen Hitpoints zurück!

Auch sonst kann das Kampfsystem mit einigen netten Ideen aufwarten. So ist es beispielsweise möglich, die Verfassung eines Gegners an der Farbe seines Icons abzulesen: Blau - alles in Ordnung. Gelb - weniger als die Hälfte der ursprünglichen Lebenspunkte. Rot - es geht dem Ende zu. Speziell bei Bosskämpfen mit mehreren möglichen Zielen kann dieses Feature den Ausschlag geben, denn mit Leichtigkeit sind nur die wenigsten der überdimensionierten Monster zu schlagen. Oftmals verletzen nur perfekt ausgeführte Combos den Widersacher, dann wieder hängt der Ausgang eines Duells von der Antwort des Spielers auf eine bestimmte Frage ab, wieder andere Gegner sind immun gegen Magie oder spezielle Elemente... das Übliche eben, nur etwas schwieriger.

Ansonsten bietet „The Legend of Dragoon“ inhaltlich kaum etwas, was man nicht schon in anderen Japano-Rollenspielen gesehen hätte: Schalterrätsel, Save-Punkte, Schatztruhen und jede Menge Fußmärsche. Diese werden mit der Zeit doch relativ ermüdend, da man gnadenlos auch längst gelöste Dungeon nochmals durchqueren muss, um auf den Weg dahinter zu kommen - ein Teleportzauber nach dem Vorbild „klassischer“ RPGs wie „Lufia“ oder „Suikoden“ hätte hier Wunder gewirkt!

Präsentation



Alle spielerischen Vor- und Nachteile verblassen jedoch, sobald man die liebevolle optische Umsetzung betrachtet: Zwar können die Polygonfiguren von Freund und Feind nicht ganz mit der Klasse eines „Final Fantasy VIII“ mithalten, doch bilden die aufwändig gerenderten und nachbearbeiteten Backgrounds ganz klar die Speerspitze des Genres. Die herrlich abwechslungsreichen und mit wenigen Ausnahmen sehr detaillierten Szenarien warten zudem mit atmosphärischen Partikeleffekten (z.B. animierte Nebel- und Rauchschwaden) sowie den besten Wasserdarstellungen auf, die es je in einem Playstationspiel zu sehen gab. Auch die Rendersequenzen (speziell gegen Ende des Spiels) stellen absolute Highlights dar und müssen sich hinter keinem Square-Titel verstecken - obwohl oder gerade weil sie mit deutschen Sprechern synchronisiert wurden.

Richtig gelesen: Nicht nur präsentieren sich sämtliche Texte in ordentlichem Deutsch, auch die Dialoge in Cutscenes sowie einige Kampfrufe wurden neu synchronisiert. Kleine Ausrutscher (z.B. die Darts Stimme oder ein Requester, der durch einen Zeilenumsprung „blind“ anzuwählen ist) können die Qualität der Lokalisierung nicht entscheidend schmälern. Auch die überwiegend ruhigen, etwas Piano-lastigen Begleitmusiken passen gut zum Geschehen, erreichen jedoch nur in wenigen Fällen das Niveau der Square-Konkurrenz.

Ergebnis



Sony ist auf Anhieb das Kunststück gelungen, der erfolgreichsten Rollenspielserie aller Zeiten („Final Fantasy“, falls das noch nicht klar geworden sein sollte:-) Paroli zu bieten - nicht mehr, aber auch nicht weniger! Es wäre übertrieben, „The Legend of Dragoon“ als FF-Killer zu bezeichnen, hierzu fehlt es letztlich doch etwas an Originalität und einer schneller faszinierenden Storyline. Dennoch stellen die hiesigen Dragoner eine ernsthafte Konkurrenz für Squares Helden dar, was nicht zuletzt der umwerfenden grafischen Umsetzung zu verdanken ist. Es dürfte interessant sein zu sehen, welcher der beiden Kontrahenten (in Kürze erscheint „Final Fantasy IX“ auch in Deutschland) letztlich das Rennen um die Gunst der Spieler für sich entscheiden wird... (Markus Ziegler)

Wertung