MSR

Metropolis Street Racer

Entwickler:  Bizarre Creations
Vertrieb:  Sega
Genre:  Rennspiel
Spieler:  1-2
System:  Dreamcast

Story



Tja - wie schon im Test zu "Die 24 Stunden von Le Mans" zu lesen war: Das Leben ist schön, zumindest für Rennspielfans, die eine Dreamcast besitzen! Nach "F355 Challenge" und "Le Mans" wird mit MSR nun der dritte hochklassige Racer innerhalb weniger Wochen auf den deutschen Markt losgelassen. Der Ansatz ist ebenso neu wie interessant: In drei Metropolen (San Franzisko, London, Tokio) gilt es insgesamt 250 Rennen zu bestehen. Der Clou - all diese Wettbewerbe finden zur gerade aktuellen Ortszeit statt!

Gameplay



Zunächst die harten Fakten: Der Stoff, aus dem MSR-Träume sind, nennt sich "Kudos". Das Kunstwort lässt sich im weitesten Sinne mit "Respekt" übersetzen und stellt die Maßeinheit für die erzielten Erfolge dar. Für jedes absolvierte Rennen erhält der Spieler eine bestimmte Anzahl an Kudos, abhängig von der Schwierigkeit, den gezeigten Schlittermanövern sowie der Anzahl an (unerwünschten) Kollisionen mit Gegnern und Fahrbahnbegrenzungen. Mit Hilfe dieser Kudos schaltet man neue Rennen und rund 40 weitere Fahrzeuge frei. Insgesamt 25 Kapitel à zehn Events sind zu absolvieren, wobei sich diese in folgende Kategorien unterteilen lassen: Hot Lap (innerhalb einer bestimmten Anzahl an Runden muss eine vorgegebene Zeit unterboten werden), Timed Run (das gleiche, allerdings wird die Zeit für das ganze Rennen gemessen), One on One (ein einzelner Kontrahent muss geschlagen werden), Street Race (Einzelrennen), Championship (Mini-Meisterschaft aus mehreren Läufen), Challenge (diverse Anforderungen, z.B. eine bestimmte Durschnittszeit pro Runde erreichen, eine Anzahl an Wagen überholen, einen Gegner überrunden etc.) sowie Special Stages (nach Wagentypen bzw. Uhrzeit begrenzter Event).

Jedes Rennen lässt sich beliebig oft wiederholen, doch verliert man hierbei stets seine im letzten Versuch erkämpften Kudos. Andererseits ist es kein Beinbruch, falls man einen Wettbewerb nicht auf Anhieb erreicht oder seine Ziele zu hoch geschraubt hat - im nächsten Anlauf ist alles wieder vergessen! Moment - "seine Ziele"? Ganz recht: Vor jedem Event darf man seine eigene Leistungsfähigkeit einschätzen und dementsprechend die Zeitbegrenzungen oder erforderlichen Mindestpunkte nach oben, aber auch nach unten schieben, was wiederum direkten Einfluss auf die maximal erreichbaren Kudos hat. Ebenso wichtig ist das gewählte Fahrzeug. Mit einem langsamen Fahrzeug kann Platz zwei ebensoviele Punkte einbringen wie ein souveräner Sieg an Bord einer schnelleren Schleuder - vorausgesetzt, man hat sich bei den angekündigten Platzierungen entsprechend zurückgehalten.

Das mag jetzt etwas verwirrend klingen, klärt sich jedoch nach einigen Rennen von selbst, schließlich wird man stets darüber auf dem Laufenden gehalten, wann das nächste Rennen bzw. das nächste Auto verfügbar wird. Da auch die Mindestpunktzahl eines jeden Kapitels feststeht, kann sich der Spieler genau ausrechnen, in welchem Event er sich noch verbessern muss, um weiterzukommen. Der Lohn der Mühe sind immer stärkere und exotischere Wagen (darunter der erst im Frühjahr offiziell erhältliche Opel Speedster, ein Roadster auf technischer Basis des Lotus Elise). Jedes dieser Vehikel kann in mehreren Farben lackiert werden, zudem lässt sich das Nummernschild individuell beschriften. Ja, bei Cabrios kann man sogar wählen, bei welchen Witterungen das Top abgenommen werden soll (z.B. Sonne: offen, Nacht: Softtop, Regen: Hardtop). Außerdem bildet natürlich die aberwitzige Zahl an Streckenvarianten einen Hauptreiz des Spiels. Genauer gesagt unterteilen sich die drei oben genannten Großstädte in jeweils drei umfangreiche Areale, welche ihrerseits mehrere Routen ermöglichen. Summa summarum erreicht man so die stolze Zahl von 262 unterschiedlichen Strecken, welche sich allerdings oft nur in Nuancen unterscheiden. So gesehen ist es schade, dass kein Cruise-Modus vorgesehen ist, in welchem man nach Art von "Crazy Taxi" die Stadt oder zumindest den Stadtteil auf eigene Faust erkunden kann.

Mit zunehmender Spieldauer schleichen sich noch andere kleine Kritikpunkte in den Vordergrund, nicht zuletzt die stellenweise etwas unglückliche deutsche Übersetzung. Falls euch also irgendwann einmal unglaublich viel Zeit für eine einzelne "Runde" zur Verfügung stehen sollte, handelt es sich dabei keineswegs um die englische "lap", sondern vielmehr um den kompletten Lauf ("round")! Gut, daran kann man sich ebenso gewöhnen wie an die nicht gerade übersichtlich angelegten Menüs, weniger schön sind hingegen einige Ärgernisse im eigentlichen Spiel. Das lästigste: Die Computerfahrer orientieren sich an den Fähigkeiten des Spielers. Das mag überaus freundlich und wünschenswert sein, solange man am Schluss des meist sechsköpfigen Fahrerfeldes liegt, an der Spitze jedoch nerven die ewig wiederkehrenden Rivalen gewaltig. Kaum scheint man den letzten der Schergen endgültig abgehängt und das Spiel wieder auf Normalgeschwindigkeit beschleunigt zu haben (s. Technik), schon kommt wieder einer der Widerlinge nur unwesentlich unterhalb der Schallgeschwindigkeit herangefegt!

Da der optionale Rückspiegel leider nur einen kleinen Teil der rückwärtigen Gegend zeigt, ist es gar nicht so einfach, solche Überholversuche mit Zickzack-Manövern zu vereiteln, allerdings haben sich hier Schlangenlinien gut bewährt: Oftmals bremsen die Konkurrenten derart drastisch ab, dass sie auf einen Schlag abermals 100 Meter zurückfallen. Der Grund hierfür dürfte in dem leider nicht deaktivierbaren Penalty-System zu finden sein, welches selbst leichteste Berührungen, die in der Realität noch nicht einmal Lackschäden nach sich ziehen würden, unnachsichtig bestraft. Klar, wer es schafft, völlig fehlerfrei ins Ziel zu fahren, wird mit einem Haufen Bonuspunkte belohnt; viel öfter jedoch reichen sämtliche Stilboni nicht aus, um die Abzüge aufgrund von Kollisionen wettzumachen, womit wir auch schon beim nächsten Kritikpunkt wären: Die Handbremse ist gut und schön, und im Zusammenspiel mit der normalen Bremse gelingen atemberaubende Kehrtwendungen, doch was nützt das alles, wenn es viel schneller ist, leicht gebremst in die Bande zu rasen und mit praktisch unverminderter Geschwindigkeit wieder auf die Straße geschleudert zu werden? Kurzum, bis auf sehr, sehr wenige 180-Grad-Wenden ist dieses coole Feature völlig nutzlos!

Man mag mich jetzt kleinlich und die aufgezählten Schwächen verzeihlich nennen, Tatsache ist jedoch, dass sie existieren und (wenn auch nur marginal) den Spielspaß beeinträchtigen. Zudem scheint MSR nach Angaben einiger Internetquellen trotz aller Verspätungen (immerhin fast ein Jahr) immer noch überhastet herausgebracht worden zu sein: Angeblich soll sich ein Wagen definitiv nicht erspielen lassen, da das hierfür zu schlagende Zeitlimit ca. 20 Sekunden unter einer tatsächlich realistischen Bestzeit liegt, dazu gesellt sich eine originelle kleine Schlamperei in den mitgelieferten Demorennen - gelegentlich sitzen keine Fahrer im Wagen (was bei Cabrios sehr witzig aussieht:-), und auch im eigentlichen Spiel wirken die grobschlächtigen Piloten in den glattpolierten Karossen irgendwie deplatziert...

Zum Trost bietet MSR einen sehr abwechslungsreichen Mehrspielermodus, welcher zwei Spielern gleichzeitig (bei einigen Wettbewerben kommen auch mehrere Teilnehmer zum Zug, allerdings nacheinander) einige interessante Spielmodi eröffnet. Neben Einzel-, Meisterschafts- und Verfolgungsrennen wäre hier vor allem eine Art World Tour erwähnenswert. Hier treten die Kontrahenten in allen drei Städten (wahlweise je ein, zwei oder drei Rundkurse) gegeneinander an, was auch Einsteigern, die im Solomodus noch nicht sonderlich weit fortgeschritten sind, einen guten Überblick über die diversen Szenarien bietet.

Technik



Angesichts der Detailfülle der dargestellten Städte gibt es eigentlich nur eins zu sagen: Wow! UK Resistance witzelte einmal, dass die neuerliche Verschiebung des Release-Termins darauf zurückzuführen sei, dass Londoner Straßenreiniger einige neue Mülltonnen aufgestellt hätten, welche nun noch ins Spiel implementiert werden müssten. Angesichts der gebotenen Grafik könnte man das glatt für möglich halten. Egal, ob man nun über den Trafalgar Square in London, Tokios Shibuya-Viertel oder den Financial District von San Franzisko prescht, kein Gebäude gleicht dem anderen, selbst die einzelnen Texturen scheinen für jedes Bauwerk neu gezeichnet worden zu sein. Im Vorfeld war viel über diesen Realismuswahn geschrieben worden, und es hat sich gelohnt: Ich möchte behaupten, dass die jeweiligen Bewohner ihre Stadt im Spiel ohne Probleme wiedererkennen würden!

Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass die Streckenführung durch all die Reklametafeln, Schilder und Geländer nicht gerade übersichtlicher wird. Auch das Auswendiglernen ist hier keine Lösung, da wie gesagt rund 30 Varianten einer jeden Location existieren. Somit ist es praktisch unmöglich, sich jede Kombination der verschiedenen Abschnitte einzuprägen, und unumgänglich, vor jedem Rennen wieder und wieder den Trainingsmodus zu durchlaufen. Doch genug davon. Was letztendlich wirklich eine perfekte Zehn als Grafiknote verhindert, ist der merkliche Slowdown, welcher immer dann auftritt, wenn auf umfangreichen Strecken mehrere Gegner im Rückspiegel zu sehen sind. Leider ist die Fahrerperspektive die mit Abstand spielbarste der fünf gebotenen Kamerapositionen: Die Stoßstangenperspektive ist nicht mehr als ein netter Gag, und in den drei Verfolgeransichten wirkt das Fahrzeughandling plötzlich frustrierend träge, ein Eindruck, welchen der Motorensound noch unterstützt.

Ist dieser im Cockpit nämlich noch recht annehmbar, wird er zu einem dumpfen Brummen reduziert, sobald der virtuelle Pilot den Wagen verlässt. Passend dazu scheint es keinerlei Kollisionsgeräusche mit anderen Fahrzeugen zu geben, lediglich ein leichtes Rütteln im Vibration Pack weist darauf hin, dass wieder einmal ein Konkurrent erfolgreich am Überholen gehindert wurde. Ein echtes Highlight ist dagegen die Musikbegleitung: Jede Stadt verfügt über drei Radiosender, welche unterschiedliche Musikgeschmäcker bedienen. Egal ob Jazz oder Drum'n'Bass, hier kommt jeder auf seine Kosten. Zwischendurch gibts mal ein paar Worte vom Moderator oder eine kurze Werbeunterbrechung, ja, die Realitätsnähe geht sogar so weit, dass sich der Empfang in Tunnels oder überdachten Passagen verschlechtert! Alternativ darf man die Musikstücke auch direkt "von CD" (aufgeteilt nach Stilrichtungen) spielen oder sich seine Lieblingsstücke individuell zusammenstellen - klasse!

Ergebnis



MSR ist zweifellos ein Titel der Superlative: Mehr Strecken und realistischere Stadtgrafiken gab es noch nie in einem Rennspiel zu bewundern! Zwar kann das Fahrgefühl nicht wirklich mit dem von "F355 Challenge" konkurrieren, doch sprechen die unglaublich detaillierten Metropolen auch eine ganz andere Gruppe von Rennspielern an. Wo dort nur das Fahren an sich zählt, stehen hier massenweise Belohnungen in Aussicht. Nach jedem Sieg gibt es eine neue Strecke, alle sechs Siege (im Schnitt) einen neuen Wagen - das ist es doch, was "Gran Turismo"-Fans sehen wollen! Nur Zeit müssen die Weltmeister in spe mitbringen, und das rund um die Uhr. Wer nämlich wie ich nur abends Zeit zum Spielen findet, bekommt London und Tokio aufgrund der Zeitverschiebung immer nur bei Dunkelheit zu Gesicht... (Markus Ziegler)

Wertung