Marvel vs. Capcom

Entwickler:  Capcom
Vertrieb:  Virgin
Genre:  Beat'em Up
Spieler:  1-4
System:  Dreamcast

Story



Es ist mal wieder soweit: Nach "X-Men vs. Street Fighter" und "Marvel Super Heroes vs. Street Fighter" treffen zum dritten Mal die bekannten Superhelden aus dem Marvel-Universum auf die beliebtesten Capcomfiguren. Erstmals sind dabei auch Nicht-Street-Fighter vertreten, an vorderster Front Mega Man, Strider Hiryu und Captain Commando aus den gleichnamigen Spielen, außerdem Morrigan ("Vampire" bzw. "Darkstalkers") sowie Jin aus dem hierzulande völlig unbekannten Roboterspektakel "Cyberbots". Insgesamt stehen zu Beginn 15 Prügelknaben und - mädchen zur
Auswahl, mit Hilfe diverser Cheats läßt sich diese Zahl jedoch auf über 20 steigern. Etwa ebensoviele Charaktere fungieren als "Helper", können also während des Spiels kurzzeitig zu Hilfe gerufen werden.

Ach ja, so etwas wie eine Rahmenhandlung gibt es auch noch, allerdings ist sie so dünn wie eh und je: Finaler Endgegner ist Onslaught, bekannt aus einem riesigen Crossover fast aller Marvel-Serien vor einigen Jahren. Professor X, seines Zeichens Anführer der X-Men, verwandelte sich damals in den übermächtigen Onslaught. Als stärkster Mutant der Welt wollte er ebendiese zerstören, woran er nur durch ein riesiges Aufgebot praktisch aller Helden und Schurken des Marvel-Universums gehindert werden konnte. Nun ja, Capcom war noch nie um einen Vorwand für eine handfeste Keilerei verlegen...

Gameplay



Im Osten nichts Neues: "Marvel vs. Capcom" macht exakt da weiter, wo die Vorgänger aufgehört haben: Vor scrollenden 2D-Hintergründen treten zwei Teams à zwei Kämpfer gegeneinander an. Wie aus der Spielhalle (bzw. den Import-Saturnversionen) bekannt, läßt sich auch auf Dreamcast per Knopfdruck der Partner hereinrufen, um dem aktiven Kämpfer eine kurze Verschnauf- und Erholungspause zu gönnen. Wie gewohnt lassen sich mit Hilfe von Hyper Combos und Team Moves auch diesmal astronomisch hohe Trefferzahlen erreichen, wobei die Steuerung auf die Capcom-typischen Viertel- und Halbkreise setzt. Auch sonst ist alles vertreten, was die Serie in der Vergangenheit ausgezeichnet hat: 8 Schwierigkeitsgrade, Easy-Modus (einfachere Specials), Airblocks, Wurfkonter, Supersprünge und Chain Combos - alles wie gehabt. Die einzige Neuerung stellt der in der Anleitung "Wechselndes Kreuz" genannte Angriff dar. Hier kommen beide Mitglieder eines Teams gleichzeitig auf den Screen und können für eine bestimmte Zeit beliebig viele Hyper Combos ausführen. Für gewöhnlich artet dieser Befehl in ein panisches Knopfhämmern aus, speziell, wenn der Gegner ebenfalls seinen Partner zu Hilfe ruft.

Auch bei den Spielmodi gibt es neben den bekannten (Arcade, Training, Vs., Survival) nur einen neuen zu entdecken. Wer 4 Controller und 3 Prügel-begeisterte Freunde auftreiben kann, darf mit allen zur gleichen Zeit spielen. Theoretisch verspricht dieser Cross Fever Mode also jede Menge Spaß, doch dürften die Voraussetzungen nur bei den wenigsten Dreamcast-Besitzern gegeben sein. Erschwerend kommt hinzu, daß das Original-Segapad für MvsC nur mit erheblichen Einschränkungen geeignet ist. Da nur 4 digitale Buttons für 6 Befehle zur Verfügung stehen, sind Probleme vorprogrammiert, egal wie die Buttonbelegung zuvor verändert wurde. Abhilfe schafft da nur ein massiver (Digital-) Joystick, mit dem es sich dann tatsächlich wie in der Spielhalle kloppen läßt.

Technik



Tja, was auf dem Saturn (mit 4MB-Speichererweiterung) noch sensationell war, ist angesichts der Hardwarepower einer Dreamcast in die "ganz nett"-Kategorie abgerutscht. Klar, noch immer glänzt das Spiel durch bildschirmfüllende Laserstrahlen und Explosionen, noch immer sind die Hintergründe (60Hz-Vollbild) liebevoll gezeichnet und die Kontrahenten ansprechend animiert. Letztlich jedoch ist die 2D-Grafik im Anime-Stil kein bißchen besser als seinerzeit "Marvel Super Heroes vs. Street Fighter" auf dem Saturn, und das muß angesichts der fehlenden inhaltlichen Neuerungen schon als kleine Enttäuschung gewertet werden. Schön, Onslaught ist ein deutlich hübscherer Endgegner als zuvor der ebenfalls überscreengroße Apocalypse, doch damit wären wir auch schon am Ende der Vorteile angelangt. Andererseits: Wer auf den typischen Capcom-Zeichentrickstil steht, wird auch diesmal nicht enttäuscht sein, zumal der (nicht abbrechbare) Abspann noch einige besonders nette Gag-Animationen zu bieten hat.

Auch beim Sound setzt MvsC auf Bewährtes: Ordentliche Musikstücke, die immer wieder alte Street-Fighter-Themen anklingen lassen, sowie die typischen Kampfschreie und -effekte begleiten das Geschehen. Auch der Trend zur Verschlechterung des Ansagers wird konsequent fortgesetzt - der durchgeknallte Sprecher (die Sprecherin?) im Intro läßt Veteranen sehnsüchtig an längst vergangene "Street Fighter II"-Tage zurückdenken...

Ein kleines, aber störendes Technik-Detail soll hier ebenfalls nicht unerwähnt bleiben: Es existiert weder Autoload- noch Autosave-Funktion, weswegen als erstes stets der Spielstand geladen und nach jedem freigeschalteten Kämpfer oder erzielten Highscore von Hand abgespeichert werden muß. Dieser Mangel an Komfort ist für eine Sega-Konsole mehr als unüblich und erntet von unserer Seite ein sportliches "Pfui!"

Ergebnis



So sehr ich die Vs.-Reihe geliebt habe und noch immer mag, "Marvel vs. Capcom" feiert nur einen verhaltenen Dreamcast-Einstand. Sicherlich, zu einem Großteil ist hierfür das mangelhafte Dreamcast-Pad verantwortlich, doch ist MvsC nicht ganz unschuldig an der Misere: Mittlerweile ist schlichtweg ein Punkt erreicht, an dem den Kämpfern zu viele Optionen offenstehen: Moves, Combos, Special Moves, Hyper Combos, Hilfskämpfer, Partnertausch... kein Wunder, daß man als Spieler den Überblick verliert! Dieser Flut stehen magere 4 1/2 Spielmodi gegenüber - in Zeiten von "Soul Calibur" eindeutig zu wenig.

Nun ja, für Capcom-Veteranen und Marvel-Liebhaber ist "Marvel vs. Capcom" trotzdem einen Blick wert, trifft man doch auf längst vergessene Videospielhelden und originelle Superhelden-Cameos. Ken-Spieler seien allerdings gewarnt: Im Zuge der Rationalisierung wurde der klassische Shotokan-Krieger kurzerhand aus dem Kader geworfen, stattdessen hat sein Trainingsparter Ryu sich nun einige seiner Trademark Moves zu eigen gemacht. Kurz und gut: MvsC kann man haben, muß man aber nicht! (Markus Ziegler)

Wertung