Orphen

Scion of Sorcery

Entwickler:  Kadokawa Shoten/Shade
Vertrieb:  Activision
Genre:  Action-Rollenspiel
Spieler:  1
System:  PS2

Story



Für die Dreamcast "Blue Stinger", auf der PS2 "Orphen" - auf Activision ist Verlass; kaum erscheint eine neue Konsole, schon zaubern die Jungs mit dem blauen Logo ein Actionadventure/Rollenspiel für das System aus dem Ärmel. Diesmal handelt es sich gleich um ein mehrfaches Lizenzprodukt: Der titelgebende Hexer hat seinen Ursprung in einer japanischen Romanserie, wurde später in die Animefigur "Sorcerous Stabber Orphen" umgewandelt und zwischenzeitlich auch als Manga ausgeschlachtet. Jetzt irrt er mit seinem Lehrling Magnus und dessen Schwester Cleo über die Geisterinsel Chaos Island, an deren Küste das Schiff der Gruppe gesunken ist. Tja. Cool, selbstbewusst, gutaussehend UND auch noch magiebegabt - wären wir das nicht alle gern? Nun, vermutlich nicht, wenn unser Alltag derart nervtötend wäre...

Gameplay



Die Bezeichnung "Rollenspiel" ist nämlich schon fast zu hoch gegriffen für ein Game, das sich im wesentlichen aus lästigen Geschicklichkeitspassagen und Simpel-Rätseln vom Typ "Suche den Schalter" zusammensetzt. Klar, gelegentlich darf auch gekämpft werden, und hier ist fast schon so etwas wie Originalität zu spüren: Gezaubert wird nämlich in Echtzeit, wobei sich die drei Angriffsbuttons auch während des Kampfes noch neu konfigurieren lassen. In welcher Kombination man also die aufladbaren Nahkampfwaffen, Projektil- oder Elementarzauber (vergleichbar mit den Guardian Forces in "Final Fantasy VIII") nutzt, bleibt weitgehend dem Spieler überlassen, und genau hier beginnt der Ärger. Wenn man von einem knappen Dutzend Monster umgeben ist, fällt es schon schwer genug, sich auf eines von ihnen zu konzentrieren, zumal man ständig damit beschäftigt ist, mittels Schildzauber gegnerische Angriffe abzuwehren. Dann auch noch darauf zu achten, welche Attacke besonders viel Schaden anrichtet, ist praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. In der Regel kämpft man also zunächst einmal blind drauflos und versucht, möglichst wenig Treffer einzustecken (die eigene Energie wird in Form von fünf Kristallen angezeigt). Sind nach einer Weile die gegnerischen Reihen noch immer nicht gelichtet, wechselt man seine Zauber komplett durch, konzentriert sich auf Reflexionsspells oder benutzt das Schwert, kurzum: Trial & Error sind angesagt. Umso unbegreiflicher, dass man die zuhauf herumliegenden Heiltränke nicht während der Auseinandersetzungen anwenden darf!

Doch auch im Abenteuermodus sind die Helden (abhängig vom eingeschlagenen Weg schließen sich noch drei weitere spielbare Charaktere der Party an) nicht gegen Verletzungen gefeit. Zum einen wird man nämlich auch unterwegs immer wieder von kleineren Feindgruppen attackiert, welche dann mit einer abgespeckten Kampfmethode (ein Projektil- sowie ein Nahkampfangriff) zur Strecke gebracht werden müssen. Zum anderen zehren aber auch die zahlreichen Hüpf- und Springeinlagen fleißig an der Lebensenergie. Ein symptomatischer Spielabschnitt muss gleich zu Beginn des Cleo Lösungsweges absolviert werden: Die Gruppe steht vor einem wasserüberfluteten Raum, der Schalter für die Zugbrücke befindet sich auf der anderen Seite. Natürlich kann keiner der Warmduscher schwimmen, weshalb Cleo versuchen muss, über die schwimmenden Fässer und Kisten hinweg ans jenseitige Ufer zu gelangen. Mal ganz abgesehen davon, dass sich die Kameraperspektive nur mit halber Schallgeschwindigkeit oder gar nicht rotieren lässt, hüpfen sämtliche Personen im Zeitraffermodus - zack: zwei Meter Höhe, zack: Boden. Natürlich wird jeder Fehlsprung gnadenlos mit einer kurzen Ertrinken-Animation bestraft, bevor man sich am Ausgangspunkt wiederfindet, selbstverständlich nicht ohne etwas Energie eingebüßt zu haben...

So ist das gesamte Spiel aufgebaut: Eine lästige Jump'n'Run-Sequenz jagt die nächste, nur unterbrochen von gelegentlichen Fights und kleinen Denksporteinlagen. Da bringt es verhältnismäßig wenig, dass man sich in Labyrinthen eine zoombare Karte seiner Position anzeigen lassen kann, das nervige Spielprinzip lässt so etwas wie Spannung erst gar nicht aufkommen. Daher ist man jedesmal heilfroh, einen der nach jeder Herausforderung platzierten Speicherpunkte erreicht zu haben und das Spiel verlassen zu können. Zu allem Überfluss entwickelt die lineare Storyline nämlich ebenfalls nicht gerade Kinoqualitäten, vielmehr wünscht man sich bei den meisten der nicht abbrechbaren Zwischensequenzen wieder in die öden 3D-Dungeons zurück. Und damit wären wir bei der

Präsentation



Grafisch macht "Orphen" prinzipiell keine schlechte Figur, auch wenn echte Highlights eher dünn gesät sind. So schwankt die Qualität der 3D-Szenarien zwischen "lieblos hingeklatscht" und "annehmbar detailliert", auch die in den Story-Abschnitten verwendeten Hintergrundobjekte sind nur selten wirklich hübsch. Dafür können sich die Kämpfe durchaus sehen lassen, speziell die erscheinenden Elementare (wenn man den entsprechenden Button längere Zeit gedrückt hält) sind immer wieder eine Augenweide. Nett auch die gezielt eingesetzten Verwisch- und Unschärfeneffekte, die außer in manchen Echtzeit-berechneten Zwischensequenzen beispielsweise gleich beim zweiten Bossgegner (einer riesigen fliegenden Seeschlange) zum Einsatz kommen.

Schade nur, dass die erwähnten Zwischensequenzen genauso langweilig gescriptet wurden wie die selteneren Anime-Videos. Letzteren haftet noch immer die Aura einer billig produzierten Zeichentrickserie an, was sich störend bei der Qualität sowohl der Animationen als auch der englischen Synchronsprecher bemerkbar macht. Klar, Animes werden meist etwas lieblos ins Englische übertragen, doch liegen die übel abgehackt klingenden Dialoge hier zeitlich oft so weit neben den Lippenbewegungen, dass man fast schon nicht mehr von "Synchronsprechern" reden kann. Hinzu kommt, dass auch die Stimmenwahl nicht eben vom Geschmack der Produzenten zeugt. Vielleicht war aber auch einfach das Budget zu knapp bemessen, was auch die fehlenden deutschen Untertitel erklären würde. Schön, sie sind für das Verständnis des Spiels nicht unbedingt erforderlich, dennoch ist man im angehenden 21. Jahrhundert Besseres gewöhnt.

Ergebnis



Mist, nun habe ich schon wieder so viel über ein Spiel geschrieben, das ich eigentlich nicht ausstehen kann. Schade eigentlich, denn zu Beginn hegte ich noch Hoffnung, dass die hübsch-hässlichen Monster die spielerischen Schwächen aufwiegen könnten. Vergeblich. Unfaire Stellen, unsympathische Helden sowie ein generell langweiliger Spielaufbau ersticken den Spielspaß schon im Keim. Rollenspieler müssen sich wohl noch etwas gedulden, bevor auch auf den 128-Bit-Konsolen Highlights vom Schlage eines "Final Fantasy IX" eintrudeln... (Markus Ziegler)

Wertung