Phantasy Star Online

Entwickler:  Sonic Team
Vertrieb:  Sega
URL:  www.sega.de
Genre:  (Online-) Rollenspiel
Spieler:  1-?
System:  Dreamcast

Vorwort - Story - Gameplay - Präsentation - Fazit - Wertung


"Die ganze Welt als Gegner", so lautete Segas Werbebotschaft zu Beginn der Dreamcast-Ära. Was folgte, war zunächst einmal... nichts. Erst im Juni letzten Jahres kam mit "ChuChu Rocket!" das erste Onlinespiel für Konsolen in den Handel und zeigte zweierlei:
  • Gut: Duelle mit menschlichen Widersachern machen nicht nur am PC Spaß.
  • Schlecht: Die Onlinematches mussten trotz Minimalgrafik und weniger Steuerbefehle mit recht heftigen Lags (Wartezeit, bis ein eingegebenes Kommando auf dem Server eintrifft) erkauft werden.
  • Umso gespannter war die Fangemeinde auf das ambitionierte Werk von Team Sonic: Würden sich die hektischen Fantasyschlachten auch über das in Deutschland verwendete 33,6er-Modem flüssig und vor allem verzögerungsfrei spielen lassen?

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    Doch immer schön der Reihe nach: PSO knüpft lose an das SF-Szenario von Teil drei und vier der "Phantasy Star"-Reihe an. Die Bewohner des Sonnensystems Algo sind auf der Suche nach neuen, bewohnbaren Planeten, da ihre Heimatwelt stirbt. Im Zuge des "Pioneer Projects" machen Sonden den Planeten Ragol aus, und das Kolonistenschiff "Pioneer 1" errichtet eine vorläufige Basis. Doch just als sieben Jahre später der Großteil der Flüchtlinge an Bord von "Pioneer 2" in Ragols Umlaufbahn eintreten will, zerstört eine mysteriöse Explosion die gesamte Kolonie. Eilig werden Abenteurer angeworben, um vom Mutterschiff aus auf die Planetenoberfläche gebeamt zu werden. Dort sollen sie sich nach Hinweisen auf das Schicksal der verschollenen Siedler umsehen. Begleitet von Nachrichten, welche die Pioneer-1-Forscherin "Red Ring" Rico zurückgelassen hat, durchforscht der Spieler nach und nach vier weitläufige Areale, um das Geheimnis der "Dark Force" (bekannt aus früheren "Phantasy Stars") zu lösen und ihr diesmal endgültig den Garaus zu machen.

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    Die neun zur Auswahl stehenden Charaktere gliedern sich in drei Klassen: Jäger, Ranger und Magiebenutzer. Während erstere vor allem gute Nahkämpfer sind, spezialisieren sich die letzteren auf alle Arten von Heil- und Angriffszaubern. Ranger wiederum sind besonders gewandt im Umgang mit Feuerwaffen aller Art, was sie zu idealen Distanzkämpfern macht. Innerhalb ihrer Zunft unterscheiden sich die Heldenfiguren nochmals, so verfügen Androiden beispielsweise über keinerlei Zaubertechniken, während Menschen und Cyborgs selbst als Kämpfer noch den einen oder anderen Spruch in der Hinterhand haben. Auch Lebens- und Magiepunkte (falls vorhanden) variieren entsprechend. Hat man sich für eine Figur entschieden, wird sie noch schnell den eigenen Vorlieben angepasst: Frisur, Gesicht, Kleidung bzw. Lackierung, Größe und Körperbau lassen sich individuell zusammenstellen.

    Sobald man dann seine knappen Anweisungen vom Kapitän höchstpersönlich erhalten hat, findet sich der Weltenretter in spe an Deck der Pioneer 2 wieder. Diese Zentrale bildet den sicheren Hafen in PSO: Läden verkaufen Waffen, Rüstungen, Zaubersprüche sowie Heiltränke, eine Klinik versorgt Wunden, und die Jägergilde bietet kleinere Aufträge an. Da die streng lineare Story ansonsten nämlich etwas zu schnell durchgespielt wäre (die Gegner passen sich in Stärke und Anzahl den Spielerstatistiken an), lockern diese Mini-Quests den Heldenalltag auf. Da sie jedoch stets in der gleichen Umgebung spielen und sich lediglich die Verteilung der Schalter und Türen ändert, werden diese Missionen relativ schnell langweilig und dienen nur noch zum Sammeln von Items und Erfahrungspunkten.

    Denn egal, ob man sich im Story- oder im Questmodus befindet, die Zielsetzung auf Ragol ist fast immer dieselbe: Kaum hat man sich auf den Startpunkt der jeweiligen Gegend (Wald, Höhlen, Minen, Ruinen) gebeamt, beginnt der Spaß. Jedes Gebiet unterteilt sich in viele Räume unterschiedlicher Größe und Form, welche (je nach Region) durch Tore, Gatter und Türen voneinander getrennt sind. Sobald man einen neuen Raum erkundet, tauchen in aller Regel diverse Monster auf, die es auszuschalten gilt. Wenn die letzte Angriffswelle beseitigt wurde, öffnen sich ab und an neue Türen, und der Raum ist gesichert. Das bedeutet, man kann sich jederzeit hierhin zurückziehen, da die Gegner keine Türschwellen übertreten können. Dies wiederum bringt speziell für Fernwaffen- und Magiebenutzer einen unschätzbaren Vorteil mit sich: Gesetzt den Fall, man betritt einen Raum mit vier zähen, aber schwerfälligen Monstern. Sobald man die Schwelle übertreten hat, ist es möglich, diese in die automatische Zielerfassung zu nehmen, während sie langsam auf einen zumarschieren. Bis die Gruppe in die Nähe der Tür kommt, sind bereits die ersten beiden Monster erlegt, woraufhin der furchtsame Jäger einen Schritt zurücktritt. Die beiden restlichen Widersacher verlieren fast augenblicklich das Interesse, schlurfen auf ihre angestammten Plätze zurück, und das Spielchen kann von Neuem beginnen.

    Klingt simpel? Nun, gelegentlich erfordern Felsvorsprünge ein weiteres Vordringen in den Raum, woraufhin nicht selten neue Feinde im Rücken des Spielers materialisieren, zudem erscheinen manche Gegner erst, wenn man sich einer bestimmten Stelle nähert. Des Weiteren wissen nicht alle Protagonisten mit den diversen Gewehren und Pistolen umzugehen, und Sprüche kosten logischerweise Zauberpunkte. Dennoch bilden die Kämpfe eindeutig den Löwenanteil in "Phantasy Star Online", die gelegentlichen Schalterrätsel (welche Konsole deaktiviert welche Barriere?) stellen selbst Grundschüler nicht vor unlösbare Probleme. Manche als "Forschungseinsätze" getarnte Quests erheben den Kampf gar zum zentralen Thema und erfordern das Ausradieren kompletter Monsterspezies innerhalb eines festgelegten Zeitlimits - dem Großwildjäger solls recht sein...

    Ermöglicht wird das actionreiche Geschehen durch eine frei konfigurierbare Padsteuerung. Während der Y-Knopf dem Sprechen vorbehalten bleibt (alternativ kann bequem mit der Dreamcast-Tastatur getippt werden), lassen sich A, B und X doppelt belegen, wobei der rechte Schulterbutton als Umschalttaste fungiert. Je nach Charakter lassen sich hier also leichte, schwere und Spezialangriffe unterbringen und durch gutes Timing zu Dreier-Combos verbinden, doch auch die überschaubare Palette an Heilgegenständen kann einfach per Knopfdruck aktiviert werden. Lediglich Vollblutmagier haben ein leichtes Problem, da in der Regel mindestens zwei, eher drei Slots mit Items und Angriffen belegt werden sollten. Da bleibt nicht mehr viel Spielraum bei der Wahl der Instant-Sprüche, und jedesmal das Menü aufzurufen, ist inmitten eines Kampfes viel zu umständlich. Wo wir gerade beim Meckern sind: Die nur ansatzweise analoge Steuerung der Spielfiguren bietet speziell anfangs oft Grund zur Klage. Zum einen "geht" jede Person erst eine Sekunde lang, bevor sie in einen leichten Trab verfällt, was die Flucht bisweilen etwas riskant macht. Zum anderen ist es nicht möglich, sich auf der Stelle zu drehen, was besonders deutlich wird, wenn die Spielfigur an einer Ladentheke oder einer Wand steht. Blickt er in die falsche Richtung, kann man ihn nicht einfach nach Belieben drehen, sondern muss erst einen Schritt zurück- und dann wieder auf das Hindernis zulaufen. Dies führt mitunter zu Schwierigkeiten bei der Erfassung entfernter bzw. sehr naher Ziele. Sobald man sich jedoch an die Kamerazentrierung (standardmäßig auf der L-Taste) gewöhnt hat, stellt auch dieser Kritikpunkt kein ernstzunehmendes Hindernis mehr dar.

    Noch ein Wort zu den "Mags": Diese kleinen Hilfsroboter umschwirren den Helden und lassen sich - ähnlich den Taschenmonstern in "Lufia" - mit Items füttern. Je nach Objekt steigen ihre körperlichen und geistigen Angriffs- und Verteidigungsattribute an, was dem Spieler zu Boni verhilft. Doch nicht nur das: Bei einem hohen Synchronwert (sprich: versteht sich das Mag gut mit dem Charakter), belegt es ihn gerne mit Unterstützungszaubern wie z.B. Unverwundbarkeit. Zudem lässt jeder erfolgreiche Angriff und erlittene Schaden die Energieleiste des Mags ansteigen. Erreicht sie 100 Prozent, werden insgesamt drei Superattacken anwählbar, welche je nach Charakterklasse des Helden und Ernährung des Mags ganz unterschiedlich ausfallen können: Füttert ein Hunter sein Mag mit Heiltränken und unterstützt dadurch seine Angriffsstärke, revanchiert es sich mit mächtigen Kampfzaubern, geistige Items aus der Hand eines Magiers ergeben vielleicht langandauernde Unverwundbarkeit und so weiter. Den ersten dieser sogenannten "Photon Blasts" erlernt das Mag bei Level 10, auf Stufe 35 und 50 folgen die beiden weiteren. Die Obergrenze der auch im Erscheinungsbild variablen Viecher liegt bei Level 200, also viel Spaß beim Füttern!

    Während die Spielprinzipien im Offline- und Onlinespiel stets dieselben bleiben, so existiert doch ein gewaltiger Unterschied: Ähnlich wie im PC-Hit "Diablo" ist die Solojagd nach besseren Waffen und Rüstungen sowie besonders seltenen Artefakten zwar recht unterhaltsam, aufgrund der dünnen Storyline jedoch nichts weltbewegend Aufregendes. Ganz anders, wenn man sich auf einem der europäischen Server einloggt: Schon im Vorfeld lässt sich erkennen, wieviele potentielle Kampfgefährten vor Ort warten, noch witziger ist es freilich, sich mit drei Waffenbrüdern zu einer festgelegten Zeit zu treffen. Aus der Lobby werden die maximal vier Mann (oder Frau) starken Gruppen direkt auf die Pioneer befördert, wo man sich wie üblich für eine der Missionen entscheiden oder einfach drauflosspielen kann.

    Nur gestandene "Diablo"-Spieler können sich vermutlich die Partystimmung vorstellen, die sich anschließend entfaltet: Da wird gehauen und gestochen, geschossen und geflüchtet, dass es nur so eine Freude ist! Als ob dies nicht schon genug Belohnung wäre, steigen auch die Erfahrungsstufen rapide an, da das Spiel großzügig Punkte an alle verteilt, die zum Ableben eines Gegners beigetragen haben - auch wenn dieser Beitrag nur aus einem einzigen Schuss bestand. Überdies werden munter Waffen und seltene Gegenstände getauscht, die der jeweilige Besitzer vielleicht nicht nutzen kann und deswegen auf der Bank aufbewahrt, man kann gefallene Kameraden wiederbeleben (Solisten finden sich üblicherweise auf der Pioneer 2 wieder), und hat ganz allgemein immer mehr oder weniger zuverlässige Rückendeckung. Selbst die vier Bosskämpfe gestalten sich mit gut trainierten Freunden um einiges einfacher als im Storymodus.

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    Das Beste (und der Grund, warum viele potenzielle PSO-Käufer überhaupt bis hierher gelesen haben) ist jedoch die technische Umsetzung: Egal, wieviel gechattet wird, egal, wo sich die Mitstreiter gerade aufhalten, das Spiel bleibt durch die Bank schnell, flüssig und verzögerungsfrei. Keine "warpenden" Spieler, keine Monster, die sich aus der Zielerfassung mogeln, kein Hängen - zu diesem Meisterstück kann man den Sonic-Team-Programmierern nur gratulieren! Nur äußerst selten und in ganz heftigen Scharmützeln geht die Spielgeschwindigkeit einmal für zwei, drei Sekunden in die Knie, doch das verzeiht man angesichts der aufwändigen Spezialeffekte gerne. Besonders die Animationen der mächtigeren Photon Blasts sind eine Augenweide, doch auch die hübsch texturierten und animierten 3D-Szenarien selbst durchquert man immer wieder gerne.

    Aufgrund der Unterteilung der Landschaft in einzelne Räume spielen auch Pop-Ups keine Rolle, zumal sich ohnehin alle Blicke auf die liebevoll designten Spieler- und Feindfiguren richten. Untermalt wird das Ganze von ruhigen, an "Ecco the Dolphin" erinnernden Klängen, welche im Kampf einer etwas hektischeren Gangart weichen. Auch die Waffengeräusche und Monsterlaute wissen zu überzeugen, Sprachausgabe ist (mal wieder) leider nicht vorhanden. Wenn man unbedingt etwas an der liebevollen Präsentation aussetzen will, dann vielleicht, dass gelegentlich Objekte in der Nähe des Bildschirmrandes ausgeblendet werden, obwohl sie eigentlich noch sichtbar sein sollten. Auch die verhältnismäßig geringe Auswahl an Örtlichkeiten hätte unter Umständen durch zusätzliche Quest-Locations  vermieden werden können.

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    Wer hätte das gedacht? Ich habe seinerzeit tapfer "Ultima Online" widerstanden, mich über die Rattenjäger in "Everquest" lustig gemacht und noch nicht einmal "Diablo 2" länger als unbedingt nötig gespielt. Jetzt sitze ich da, werfe der British Telecom in nächtelangen Online-Sitzungen mein Geld in den Rachen... und warum? Weil es einfach einen Heidenspaß macht, gemeinsam mit Gleichgesinnten auf Ragol Amok zu laufen! Schluss mit den immer gleichen Deathmatches und anderen Duellmodi, dem kooperativen Spiel gehört die Zukunft! Da verschmerzt man es auch gerne, dass das Solospiel trotz mehrerer Schwierigkeitsstufen (nach einmaligem Durchspielen wird der "harte" Modus mit neuen, besseren Sammelitems freigeschaltet, ist auch dieser durchlaufen, wirds noch etwas schwerer) eigentlich nur eine Trainingsarena für die Onlineschlachten bietet.

    Am meisten beeindruckt mich jedoch die saubere technische Umsetzung: Das beginnt beim flüssigen Spielablauf und endet mit einem genialen internationalen Verständigungssystem, für das noch nicht einmal die Tastatur benötigt wird: Für jede Gelegenheit steht hier der passende Satz zur Verfügung, übersichtlich angeordnet nach verschiedenen Situationen. Nach dem Baukastenprinzip lassen sich sogar eigene Fragen zusammenstellen und an die Gruppe oder einzelne Adressaten richten. Der Clou: All diese Phrasen werden automatisch in die jeweilige Landessprache der Anwesenden übersetzt, wodurch selbst Fremdsprachenmuffel alle wichtigen Mitteilungen verstehen!

    Wer also nur ein bisschen Abenteuerlust verspürt und die Geselligkeit liebt, kommt um die Anschaffung von "Phantasy Star Online" nicht herum; wobei die Betonung eindeutig auf dem Wort "Online" liegt. Und genau darauf beziehen sich die untenstehenden Noten. (Markus Ziegler)

    Vorwort - Story - Gameplay - Präsentation - Fazit - Wertung


    System:  Dreamcast
    Grafik:  9
    Sound:  8,5
    Spielspaß:  10
    Dauermotivation:  9
    GESAMT:  9,5 (von 10)