DAS GAMEPLAY
Wie sich der Trip letztendlich gestaltet,
ist vor allem eine Frage des Charakters. Denn je nachdem, ob man sich zu
Beginn für die adrette Jill Valentine oder ihren Herzbuben Chris Redfield
entscheidet, werden zwei unterschiedliche Lösungswege beschritten.
Der gute Chris darf seine Gegner anfangs nur per Kampfmesser in Form schnitzen
(feige Flüchtlinge sollen angeblich vor dem ersten Duell Fersengeld
geben, um sich in der Eingangshalle die herumliegende Beretta zu krallen).
Außerdem muß er auf die Bazooka verzichten. Die kurzen Barbeque-Einlagen
mit dem Flammenwerfer, den er nach verbrauchter Energie sofort wieder zurückhängen
muß, um die entsprechende Türsperre zu lösen, sind da nur
ein schwacher Trost. Und da seine Gegner auch noch einiges mehr einstecken,
ist eine knapp hundertprozentige Trefferquote für ihn oberstes Gebot,
wenn er bis zum bitteren Ende kommen will. Als ob das nicht schon genug
an Handicaps wäre, darf er nur bis zu sechs Gegenstände mit sich
herumschleppen, während Jills Handgepäck acht Items Platz bietet.
Zudem hat die Amazone in
Barry einen galanten Schutzengel, der ihr statt
Blumen Muni schenkt und sie via Videosequenz ritterlich aus den heikelsten
Situationen rettet. So darf frau sich z.B. relativ bald die Schrotflinte
abgreifen, weil Barry seinen Schützling vor dem Tod in der dadurch
ausgelösten Falle bewahrt. Chris bekommt die Wumme hingegen deutlich
später. Erst im Tausch gegen das verrostete Pendant kann er sie gefahrlos
aus der Halterung nehmen. Als kleine Entschädigung schlüpft man
im Chris-Game hin und wieder in die schmuck-engen Kampfklamotten der kleinen
Rebecca Chambers, um die Kopfarbeit zu erledigen, mit der Mann völlig
überfordert ist.
Neben dem Niederstrecken diverser Hausbewohner steht also auch das Knacken abwechslungsreicher Rätselnüsse auf dem Programm. Die reichen von der Suche nach passenden Schlüsseln bis hin zu komplexen Aufgaben wie dem Mischen von Chemikalien oder Puzzles à la Rubik. Herumliegende Gegenstände wandern zunächst ins Inventory. Dort können sie bei Bedarf kombiniert, benutzt sowie von allen Seiten betrachtet werden. Auf diese Art lassen sich Kräuter mit größerer Heilwirkung und gleichzeitigem Gegengifteffekt zusammenbrauen, Waffen laden, Amulette aus Büchern fischen etc. Vom Inventory-Screen aus lassen sich zudem körperliche Verfassung checken, die gefundenen bzw. per Automapping mitgezeichneten Grundrißpläne der diversen Stockwerke aufrufen, im späteren Spielverlauf Funksprüche entgegennehmen sowie der Stand der Ermittlungen im Notizbuch nachlesen, in das gefundene Schriftstücke automatisch eingetragen werden. Ist die Rucksackkapazität erschöpft, wandern die Items in die über das Einsatzgebiet verteilten Kisten. Dabei hat man dann in jeder Kiste stets das gesamte Sammelgut zur Verfügung. Das erspart wenigstens etwas Laufarbeit, wenn man merkt, daß ausgerechnet der gerade benötigte Gegenstand nicht zur Hand ist.
In den Lagerräumen steht meist auch gleich eine Schreibmaschine herum, an der der Spielstand abgespeichert werden kann. Das geht allerdings nur, wenn man die spärlich verstreuten Farbbänder eingesackt hat (überflüssig zu erwähnen, daß Chris wesentlich seltener saven darf). Einerseits nervt die Qual der Wahl, wann diese streng limitierte Save-Option genutzt werden soll, andererseits steigert sie die Dauermotivation: Es ist ein herrliches Feeling, die nicht ganz simple Horrorhatz einmal ohne ein einziges Abspeichern durchgespielt zu haben.
DIE TECHNIK
Die toll animierten Polygon-Geisterjäger
sind beim Gang durch das optisch beeindruckende 3D-Spukhaus immer voll
im Bilde. Und das aus unterschiedlichsten Kameraperspektiven. Dabei geht
die Übersicht in den seltensten Fällen verloren. Die Blickwinkel
wechseln meist durchdacht und sorgen für grandiose Dynamik sowie reichlich
erschreckende Schocksituationen. Beispiel gefällig? Man lenkt Jill
einen hellerleuchteten Gang entlang, der am anderen Ende abknickt. Während
sie sich vorsichtig Richtung Ecke vortastet, hinter der ja eventuell ein
Zombie lauern könnte, springt urplötzlich im Vordergrund ein
Mutanten-Dobermann begleitet von einem Glassplitterregen durchs Fenster
und landet im Rücken der Heldin. Vor lauter Schreck fällt es
bei solchen Gelegenheiten schon schwer, blitzschnell die Waffe zu ziehen,
den Gegner anzuvisieren und einen Treffer zu setzen.
Diese düster-spannungsgeladene Atmosphäre wird durch dramatische Musikuntermalung nebst famosen Soundeffekten noch verstärkt. So kündigen Zombies ihren Auftritt durch unheimliches Schlurfen an. Mit einem satten Knall verwandelt die tödliche Ladung der Schrotflinte den Schädel des Untoten in ein rotes Feuerwerk, und während er zu Boden geht unterbricht nur der Aufprall der leeren Hülse beim Durchladen die erneute Stille. Auch die markerschütternden Todesschreie der brandgefährlichen Hunter oder die Hitchcock-Akustik beim Angriff der Krähen garantieren gepflegtes Gruseln. Alles andere als ein Ohrenschmaus ist hingegen die Sprachausgabe: Laienhaft bis zum geht-nicht-mehr wird man hier mit mega-dämlichen Dialogen genervt. Aber nicht einmal die können dem Spiel seinen Schrecken (im positiven Sinne) nehmen.
Steuerungstechnisch gibt es hingegen nichts zu mäkeln. Dank perfektem Pad-Handling gehen sämtliche Aktionen wie Aufruf des Inventars, Rennen, Aufheben von Sammelmaterial, in Anschlag Gehen etc. schon nach kurzem Trockentraining locker von der Hand. Präzise lotst man sein Alter ego so durch die Gegend, wobei auch flinke Ausweichmanöver als munitionssparende Alternative zum stupiden Exekutieren der Monster kein Problem bereiten.
Fairness statt Frust bietet letztendlich das Capcom-typisch ausgefeilte Gameplay. Mit der richtigen Taktik nebst gegnerspezifisch ausgewählter Waffe stellen einen auch die beeindruckenden Zwischengegner oder Obermotz Tyrant nicht vor unlösbare Aufgaben. Und falls man sich beim Möbelrücken zwecks Freilegung von Tresoren, Geheimtüren u.a. mal verschoben hat, steht die Einrichtung nach erneutem Betreten des Raumes wieder ordentlich an ihrem angestammten Platz. Mit dem angenehmen Nebeneffekt, daß bisweilen auch manche Monster wie die giftigen Mini-Spinnen oder Maxi-Bienen verschwunden sind.
DAS ERGEBNIS
WERTUNG: 10 von 10 (Steffen); 9 von 10 (Markus)