Resident Evil

DIE STORY 

Juli 1998 (so wie es momentan aussieht, genau das Datum, an dem "Resident Evil 2" hierzulande erscheinen wird): In der näheren Umgebung von Racoon City geschehen seltsame Dinge. Da werden nette Anhalterinnen angeknabbert aus dem Fluß gefischt, und auch ganze Familien dienen irgendwelchen mysteriösen Herumstreunern als Zwischenmahlzeit. Zeit für S.T.A.R.S. (Special Tactics and Rescue Squad), mal nach dem rechten zusehen. Warum der Kontakt zu Team Bravo plötzlich abgebrochen ist, erfährt Team Alpha auf der Suche nach den Kameraden schon unmittelbar im Anschluß an die Landung in den Wäldern nordwestlich der Stadt. Neben den sterblichen Überresten einiger Ex-Kollegen stoßen die Jungs und Mädel Jill nämlich auf äußerst agressive Mutanten-Dobermänner, die gleich mal richtig Frolic aus den überraschten Eindringlingen machen wollen. Teilweise (wer das für die U.S.A. und den europäischen Markt geschnittene Original des S/W-Intro-Videos von dem in Japan "Bio Hazard" betitelten Game kennt, weiß genau, was damit gemeint ist) gelingt die Flucht in ein nahegelegenes Herrenhaus. Und dort beginnt der wohl unterhaltsamste Horrortrip der Videospielgeschichte.

DAS GAMEPLAY 


Wie sich der Trip letztendlich gestaltet, ist vor allem eine Frage des Charakters. Denn je nachdem, ob man sich zu Beginn für die adrette Jill Valentine oder ihren Herzbuben Chris Redfield entscheidet, werden zwei unterschiedliche Lösungswege beschritten. Der gute Chris darf seine Gegner anfangs nur per Kampfmesser in Form schnitzen (feige Flüchtlinge sollen angeblich vor dem ersten Duell Fersengeld geben, um sich in der Eingangshalle die herumliegende Beretta zu krallen). Außerdem muß er auf die Bazooka verzichten. Die kurzen Barbeque-Einlagen mit dem Flammenwerfer, den er nach verbrauchter Energie sofort wieder zurückhängen muß, um die entsprechende Türsperre zu lösen, sind da nur ein schwacher Trost. Und da seine Gegner auch noch einiges mehr einstecken, ist eine knapp hundertprozentige Trefferquote für ihn oberstes Gebot, wenn er bis zum bitteren Ende kommen will. Als ob das nicht schon genug an Handicaps wäre, darf er nur bis zu sechs Gegenstände mit sich herumschleppen, während Jills Handgepäck acht Items Platz bietet. Zudem hat die Amazone in Barry einen galanten Schutzengel, der ihr statt Blumen Muni schenkt und sie via Videosequenz ritterlich aus den heikelsten Situationen rettet. So darf frau sich z.B. relativ bald die Schrotflinte abgreifen, weil Barry seinen Schützling vor dem Tod in der dadurch ausgelösten Falle bewahrt. Chris bekommt die Wumme hingegen deutlich später. Erst im Tausch gegen das verrostete Pendant kann er sie gefahrlos aus der Halterung nehmen. Als kleine Entschädigung schlüpft man im Chris-Game hin und wieder in die schmuck-engen Kampfklamotten der kleinen Rebecca Chambers, um die Kopfarbeit zu erledigen, mit der Mann völlig überfordert ist.

Neben dem Niederstrecken diverser Hausbewohner steht also auch das Knacken abwechslungsreicher Rätselnüsse auf dem Programm. Die reichen von der Suche nach passenden Schlüsseln bis hin zu komplexen Aufgaben wie dem Mischen von Chemikalien oder Puzzles à la Rubik. Herumliegende Gegenstände wandern zunächst ins Inventory. Dort können sie bei Bedarf kombiniert, benutzt sowie von allen Seiten betrachtet werden. Auf diese Art lassen sich Kräuter mit größerer Heilwirkung und gleichzeitigem Gegengifteffekt zusammenbrauen, Waffen laden, Amulette aus Büchern fischen etc. Vom Inventory-Screen aus lassen sich zudem körperliche Verfassung checken, die gefundenen bzw. per Automapping mitgezeichneten Grundrißpläne der diversen Stockwerke aufrufen, im späteren Spielverlauf Funksprüche entgegennehmen sowie der Stand der Ermittlungen im Notizbuch nachlesen, in das gefundene Schriftstücke automatisch eingetragen werden. Ist die Rucksackkapazität erschöpft, wandern die Items in die über das Einsatzgebiet verteilten Kisten. Dabei hat man dann in jeder Kiste stets das gesamte Sammelgut zur Verfügung. Das erspart wenigstens etwas Laufarbeit, wenn man merkt, daß ausgerechnet der gerade benötigte Gegenstand nicht zur Hand ist.

In den Lagerräumen steht meist auch gleich eine Schreibmaschine herum, an der der Spielstand abgespeichert werden kann. Das geht allerdings nur, wenn man die spärlich verstreuten Farbbänder eingesackt hat (überflüssig zu erwähnen, daß Chris wesentlich seltener saven darf). Einerseits nervt die Qual der Wahl, wann diese streng limitierte Save-Option genutzt werden soll, andererseits steigert sie die Dauermotivation: Es ist ein herrliches Feeling, die nicht ganz simple Horrorhatz einmal ohne ein einziges Abspeichern durchgespielt zu haben.

DIE TECHNIK 


Die toll animierten Polygon-Geisterjäger sind beim Gang durch das optisch beeindruckende 3D-Spukhaus immer voll im Bilde. Und das aus unterschiedlichsten Kameraperspektiven. Dabei geht die Übersicht in den seltensten Fällen verloren. Die Blickwinkel wechseln meist durchdacht und sorgen für grandiose Dynamik sowie reichlich erschreckende Schocksituationen. Beispiel gefällig? Man lenkt Jill einen hellerleuchteten Gang entlang, der am anderen Ende abknickt. Während sie sich vorsichtig Richtung Ecke vortastet, hinter der ja eventuell ein Zombie lauern könnte, springt urplötzlich im Vordergrund ein Mutanten-Dobermann begleitet von einem Glassplitterregen durchs Fenster und landet im Rücken der Heldin. Vor lauter Schreck fällt es bei solchen Gelegenheiten schon schwer, blitzschnell die Waffe zu ziehen, den Gegner anzuvisieren und einen Treffer zu setzen.

Diese düster-spannungsgeladene Atmosphäre wird durch dramatische Musikuntermalung nebst famosen Soundeffekten noch verstärkt. So kündigen Zombies ihren Auftritt durch unheimliches Schlurfen an. Mit einem satten Knall verwandelt die tödliche Ladung der Schrotflinte den Schädel des Untoten in ein rotes Feuerwerk, und während er zu Boden geht unterbricht nur der Aufprall der leeren Hülse beim Durchladen die erneute Stille. Auch die markerschütternden Todesschreie der brandgefährlichen Hunter oder die Hitchcock-Akustik beim Angriff der Krähen garantieren gepflegtes Gruseln. Alles andere als ein Ohrenschmaus ist hingegen die Sprachausgabe: Laienhaft bis zum geht-nicht-mehr wird man hier mit mega-dämlichen Dialogen genervt. Aber nicht einmal die können dem Spiel seinen Schrecken (im positiven Sinne) nehmen.

Steuerungstechnisch gibt es hingegen nichts zu mäkeln. Dank perfektem Pad-Handling gehen sämtliche Aktionen wie Aufruf des Inventars, Rennen, Aufheben von Sammelmaterial, in Anschlag Gehen etc. schon nach kurzem Trockentraining locker von der Hand. Präzise lotst man sein Alter ego so durch die Gegend, wobei auch flinke Ausweichmanöver als munitionssparende Alternative zum stupiden Exekutieren der Monster kein Problem bereiten.

Fairness statt Frust bietet letztendlich das Capcom-typisch ausgefeilte Gameplay. Mit der richtigen Taktik nebst gegnerspezifisch ausgewählter Waffe stellen einen auch die beeindruckenden Zwischengegner oder Obermotz Tyrant nicht vor unlösbare Aufgaben. Und falls man sich beim Möbelrücken zwecks Freilegung von Tresoren, Geheimtüren u.a. mal verschoben hat, steht die Einrichtung nach erneutem Betreten des Raumes wieder ordentlich an ihrem angestammten Platz. Mit dem angenehmen Nebeneffekt, daß bisweilen auch manche Monster wie die giftigen Mini-Spinnen oder Maxi-Bienen verschwunden sind.

DAS ERGEBNIS 



Als Belohnung bzw. Kopfgeld für erfolgreiche Monstermetzler gibt es schließlich noch ein paar nette Zuckerl: Hat man das Spiel erfolgreich gelöst, darf man mit dem Schlüssel für den Schrank im Umkleideraum von vorne beginnen. Jill stürzt sich dann mit neuer Frisur, sexy Top und Turnschuhen ins Getümmel, Chris trägt eine coole Fliegerlederjacke mit Engel nebst Aufschrift "Made In Heaven" am Rücken. Kunstschützen, die bis zum variantenreichen Schlußvideo weniger als drei Stunden unterwegs waren (hat es einer von Euch RE-Fans schon mal unter 02:00:59 geschafft?), erhalten für den zweiten Durchgang den Raketenwerfer inklusive unbegrenzter Munition - ein echter Spaß, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Damit meine ich nicht nur die dann teilweise noch lächerlicher wirkenden Schwätzchen. Das Teil beseitigt manche Widersacher netterweise rücksichts- UND rückstandslos. Resident Evil sorgt also nicht nur für Schrecksekunden, sondern verspricht viele Stunden horrende Unterhaltung. Wer schlaflose Nächte während und nach dem Zocken in Kauf nimmt, kommt um dieses (alp-)traumhafte Meisterstück nicht herum. (Steffen Schamberger)

WERTUNG: 10 von 10 (Steffen); 9 von 10 (Markus)