Sega GT

Entwickler:  Sega
Vertrieb:  Sega
Genre:  Rennspiel
Spieler:  1-2
System:  Dreamcast

Story



"'Gran Turismo' meets Dreamcast" lautet die Kurzbeschreibung der Sega-Presseabteilung zur neuesten Erweiterung der DC-Rennspiel-Palette. Und tatsächlich: So brillant/originell/schick die seit kurzem erhältlichen Racer "F355 Challenge", "Metropolis Street Racer" und "Die 24 Stunden von Le Mans" auch waren, keiner konnte in puncto Abwechslungsreichtum dem Playstation-Meilenstein "Gran Turismo" das Wasser reichen. Nach einigen Verzögerungen ist Segas GT-Konkurrent nun also auch in Europa erhältlich, und es sieht ganz danach aus, als hätten die Gamedesigner ihre Hausaufgaben gemacht...

Gameplay



So gibt es hier immerhin über 170 verschiedene, originalgetreue Wägelchen vom schwachbrüstigen Fiat bis hin zur kraftstrotzenden Viper zu erwerben bzw. zu gewinnen. Jedes dieser Fahrzeuge darf im Meisterschaftsmodus kräftig getunt werden: Turbolader, Rennfahrwerk und -getriebe sowie etliche andere Komponenten warten auf ihren Einbau und erlauben die individuelle Einstellung von Motor- und Bremsleistung, Kurvenverhalten und Drehmoment. Wer richtig in die Vollen gehen will, bastelt sich in der Fabrik gleich sein ureigenes Wunschfahrzeug zusammen.

Leider ist dieser Spaß nicht ganz billig, für eine Spezialkarosserie mit V-12-Motor wechselt schon einmal eine runde halbe Million Credits den Besitzer. Doch alles halb so wild: Nach dem relativ simplen Erwerb der vier Lizenzen (pro Klasse muss eine Strecke innerhalb einer vorgegebenen Zeit absolviert werden) stehen dem Spieler Unmengen an Verdienstmöglichkeiten offen. Jede Rennklasse bietet neben zwei offiziellen Meisterschaften nämlich eine Anzahl an Mini-Cups, Beschleunigungs- und Zeitrennen sowie Marken-Wettbewerbe. Für die meisten dieser Events gelten Hubraum- oder andere Einschränkungen, doch sind nur bei den offiziellen Championships Siege in den niedrigeren Kategorien erforderlich. Hobby-Schumis dürfen sich also vom Start weg an Dutzenden von Wettbewerben auf den 22 Strecken (darunter jedoch auch die gespiegelten Varianten) versuchen, wobei sich speziell die Drag-Rennen zum Geldverdienen eignen. Sobald man seine Viper (gibts entweder zu kaufen oder als Bonuswagen nach dem Gewinn eines Markenwettbewerbes) von schlappen 500 auf mächtige 1495 PS (!) gebracht hat, gehören alle Geldsorgen der Vergangenheit an. Auch sonst gibt sich das Spiel großzügig: Fast jeder Lauf darf unterbrochen und beliebig oft neu gestartet werden, wodurch selbst die härtesten Meisterschaften früher oder später zu schaffen sind. Zudem ermöglichen Qualifikationsrunden (in seltenen Fällen) einen Startplatz in den vorderen Reihen, die Pole Position wird gar durch eine Extraprämie versüßt.

So weit so gut. Leider jedoch unterliefen den Programmierern einige schwerwiegende Patzer im Fahrzeughandling. Egal wie billig das Auto auch sein mag, es darf einfach nicht passieren, dass die Steuerung "nachgeht". Zugegeben, der Effekt ist von Fahrzeug zu Fahrzeug unterschiedlich ausgeprägt, doch stets spürbar. Somit ist es unglaublich schwer, ja, fast unmöglich, sein Auto parrallel zur Straße auszurichten, wodurch man ständig mit Korrekturen beschäftigt ist. Als Folge schleudert einen die prinzipiell ausgezeichnete Kollisionsabfrage hilflos von einer Bande in die nächste, und das selbst bei Geschwindigkeiten von knapp über 100 Kilometern pro Stunde. Dazu kommt, dass fast alle Boliden massiv über die Vorderräder schieben.

Mal im Ernst: Es muss doch möglich sein, einen Rennwagen bei 170 Stundenkilometern durch eine langgezogene Kurve zu peitschen, ohne geradeaus ins Kiesbett zu hoppeln! Um die Sache zu verschlimmbessern, kosten derlei Ausrutscher paradoxerweise oft weniger Zeit als ein korrektes Anbremsen und Ausfahren der Kurven! Wie diffizil das Handling wirklich ist, lässt sich letztlich unschwer am Hochgeschwindigkeitsring erkennen: Klar, eine knapp 1500 Pferde starke Dodge Viper ist fast kein Auto mehr, sondern eher ein Geschoss, doch dürfte es auch bei 300 Stundenkilometern eigentlich kein Problem darstellen, den Boliden über die kilometerlangen Geraden zu dirigieren. Von wegen: Schon die kleinsten Lenkbewegungen lassen die Kiste nach links und rechts schlingern, als hätte man brutal das Steuer herumgerissen.

Unglücklicherweise überschatten diese Schwächen das gesamte Spiel, auch wenn sie nur bei einigen Fahrzeugen so stark ins Gewicht fallen wie bei der angesprochenen Viper oder dem fast unlenkbaren "Cappuccino"-Kleinwagen. Speziell in den ersten drei Spielstunden verleiden einem die Steuermängel in Verbindung mit den rücksichtslosen Computergegnern oftmals den Spaß am Fahren, erst danach gewöhnt man sich langsam an die Tücken der Materie. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang das Zweispielerduell am horizontal geteilten Screen, da hier beide Teilnehmer mit den selben Problemen zu kämpfen haben. Auf Wunsch erhalten Anfänger einige Sekunden Vorsprung, auch die Anzahl der zu fahrenden Runden kann nach Belieben variiert werden.

Präsentation



Zweifellos sieht "Sega GT" besser aus als der PS-One-Konkurrent "Gran Turismo 2", allerdings wird nicht ganz die optische Spitzenklasse der Dreamcast-Racer erreicht. Die Hauptschuld daran tragen die verhältnismäßig klobigen Fahrzeugmodelle, welche mit undurchsichtigen Scheiben versehen und relativ blassen Farben überzogen wurden - kein Vergleich zu den satten Farben und Transparenzeffekten eines "F 355 Challenge"! Auch machen sich hin und wieder leichte, aber nichtsdestotrotz störende Pop-Up-Effekte bemerkbar, zudem sind die Landschaften von sehr unterschiedlicher Qualität. Mal gibt es zerklüftete Canyons, zauberhafte Sonnenuntergänge und animierte Objekte am Streckenrand zu bewundern, dann wieder fährt man durch eine Stadt, deren Häuser immer wieder mit der selben Textur zugepflastert wurden. Hinzu kommt ein Nebeleffekt im Zweispielermodus, welcher es in Sachen Monstrosität glatt mit dem in dieser Hinsicht berüchtigten "Ridge Racer V" aufnehmen kann.

Doch genug gemeckert, schließlich gibt es auch viel Positives zu vermelden: So geht die Framerate auch mit mehreren gegnerischen Fahrzeugen am Screen nie in die Knie, die Cockpitperspektive gewährleistet ein gutes Gefühl für die Strecke, und (gewollte) Nebel-, Lensflare- und Beleuchtungseffekte sowie eine hübsche Replayfunktion sorgen für optische Abwechslung.

Wenig gibt es vom Sound zu vermelden. Die qualitativ recht durchwachsenen Begleitmusiken klingen dank ihrer Drum'n'Bass-Einlagen noch einigermaßen spannungsgeladen, die dünnen Motorensounds stellen jedoch keine Meisterleistung dar und erreichen nie die Qualität des kurzen (digitalisierten?) Samples, welches beim Laden einer Strecke abgespielt wird. Auf Wunsch kann man sich die Motorleistung auch durch die Vibrationsfunktion näherbringen lassen, doch stellt hier die Standardeinstellung (Rütteln bei Fahrbahnunebenheiten und Kollisionen) eindeutig die bessere Alternative dar.

Ergebnis



Schade: Würde sich "Sega GT" vergleichbar gut fahren wie "MSR" oder gar "F355", hätte Sega hier eindeutig das heißeste Eisen im Feuer. So reicht es nur zu einem sehr guten Platz im Mittelfeld der Dreamcast-Rennspiele. Doch sollten sich ambitionierte Bastler dadurch nicht abschrecken lassen: So viel Langzeitmotivation bietet ansonsten nur die "Gran Turismo"-Reihe, und dort dämpfen die technischen Einschränkungen der PS One empfindlich den Spielspaß. Wer sich also nicht vor vielen Fahrstunden drückt und mit Begeisterung Motoren auf Höchstleistung tunt, liegt bei "Sega GT" genau richtig. (Markus Ziegler)

Wertung