Silent Scope

Entwickler:  Konami
Vertrieb:  Konami
Genre:  Snipersimulation
Spieler:  1
System:  Dreamcast

Story



Jaja, US-Präsidenten und ihre Familien haben es nicht leicht. Wieder einmal wurden das Staatsoberhaupt, die First Lady und ihrer beider Tochter von Terroristen entführt, und wieder einmal gibt es nur einen, der sie retten kann. Diesmal ist das Alter Ego des Spielers jedoch kein muskelbepackter Einzelkämpfer, vielmehr schleicht man sich als gewitzter Scharfschütze durch die drei Hauptszenarien des Spiels.

"Silent Scope" ist eine Umsetzung des gleichnamigen Arcade-Automaten, dessen Nachfolger mittlerweile auch schon in deutschen Spielhallen anzutreffen ist. Der Clou des faszinierenden Standgeräts: In die Lightgun wurde ein Miniatur-Monitor integriert, welcher verzögerungsfrei das Zielfernrohr simuliert. Während man also per Fadenkreuz (und linkem Auge) schnell den Monitor nach Zielen absuchen kann, erlaubt der Blick ins
"Scope" präzise Schüsse - ein ruhiges Händchen vorausgesetzt!

Gameplay



Dieses nette Feature ist in den Heimumsetzungen trauriger-, aber verständlicherweise nicht mehr vorhanden. Stattdessen erscheint die Zielansicht wie eine Lupe auf dem Screen, zur schnelleren Bewegung kann sie per Tastendruck deaktiviert werden.

Natürlich macht es diese Steuermethode trotz dreifach variabler Cursorgeschwindigkeit nicht eben einfach, die zahlreichen bösen Buben zu erlegen, und auch das Optionsmenü verwöhnt den einsamen Helden nicht: Maximal vier Lebensmarkierungen und zwei Continues stehen zur Verfügung, dann ist der Traum vom Weltenretter auch auf der niedrigsten der acht Schwierigkeitsstufen ausgeträumt. Darüber hinaus erschwert ein äußerst kritisches Zeitlimit das Vorrücken. Verrinnen die Sekunden, ist ein Credit futsch - egal, wie gesund der Held eben noch aus der Wäsche geschaut hat.

Aus diesem Grund sollte man sich gut überlegen, welche der gebotenen Routen die erfolgversprechendste ist. Will man eine Hotelfassade nach Gangstern absuchen oder gleich an Bord des Hubschraubers steigen? Soll der Pyromane auf dem Dach oder an Bord eines Harriers ("True Lies" lässt grüßen) bekämpft werden? Und will man das Terroristen-Anwesen zu Fuß stürmen oder per Fallschirm darüber abspringen? Bei all diesen Überlegungen ist zu beachten, dass sich die Spielfigur wie in klassischen Lightgun-Shootern (z.B. "The House of the Dead 2") automatisch bewegt, sobald alle Widersacher beseitigt sind. Deckung kann also nicht gesucht werden, ist man zu langsam, erledigen einen die zahlreichen Feinde - natürlich nur, sofern es das Zeitlimit nicht schon vorher getan hat.

Um sich mit der Waffe und ihrer Handhabung vertraut zu machen, empfiehlt sich ein Besuch auf dem Schießstand oder ein Abstecher in den neuen Trainingsmodus. In den dortigen Szenarien werden in unterschiedlichen Übungen das fehlerfreie und schnelle Schießen auf teils bewegliche Ziele unter normalen Bedingungen, auf unsicherem Untergrund (an Bord eines Schiffes) sowie bei Nacht geübt. Die Frage ist nur: Wie gut muss man sein, um vom Programm gelobt zu werden, und kann man diesen Status als durchschnittlicher Mitteleuropäer überhaupt erreichen? Kleines Beispiel: Im "Time Attack"-Modus erledigt man nach und nach immer schwierigere Ziele, filtert Bösewichter aus zivilen Menschenmengen heraus und muss zuletzt gar einen Apfel aus der Hand eines sich auf und ab bewegenden Pappkameraden ballern, nur um anschließend wieder als "öffentliches Ärgernis" beschimpft und der schlechtesten Schulnote "F" abgekanzelt zu werden. Also, unter einem motivierenden Trainer verstehe ich leider etwas anderes...

Schon aus diesem Grund wird man sich hauptsächlich den Storymodus vornehmen, auch wenn die Angriffsformationen stets die selben bleiben und zum Sieg neben einer gehörigen Portion Übung immer noch ein nicht zu unterschätzendes Quäntchen Glück benötigt wird. Wers nicht glaubt, soll doch mal versuchen, aus einem fliegenden Hubschrauber heraus einen Bossgegner auszunullen, der im Zickzack über ein Footballfeld läuft, von zwei Dutzend Spielern verfolgt wird und eine strampelnde Präsidententochter auf der Schulter trägt. Hinzu kommt, dass Endgegner im Gegensatz zu den normalen Schergen mehrere Treffer oder einen gezielten Kopfschuss erfordern. Das ist nicht nur recht brutal, sondern auch noch äußerst schwierig!

Technik



Die Dreamcast-Version bietet grafisch und soundtechnisch eine 1:1-Umsetzung der Spielhallenvorlage. Ruckeln ist ein Fremdwort, die 60Hz-beschleunigte Vollbildgrafik ist ansprechend detailliert, und die Bewegungen der Widersacher (z.B. Zusammenzucken und Abhocken bei einem Querschläger) wurden schön in Szene gesetzt. Netter Gag: Erspäht man durch den Sucher eine Bikinischönheit am Pool oder beim Workout auf ihrem Hotelzimmer, verwandelt sich das Fadenkreuz kurzzeitig in ein rosa Herz, und die Heldenenergie wird leicht aufgefrischt. Dagegen wirken die Trainingslevels geradezu trist: Grob gezeichnete Pappkameraden tauchen hinter einfallslosen, jeweils einen Screen großen Kulissen auf, die beweglichen Zielscheiben auf dem Schießplatz sind gleichfalls kein Hingucker.

Auch die Soundbegleitung hätte bis auf die realistischen Schussgeräusche ruhig etwas abwechslungsreicher ausfallen können. Der Standard-Schmerzenslaut der Gegner steht allein auf weiter Flur, und das typisch japanische Begleitgedudel vermag die Dramatik ebensowenig zu steigern wie die gelegentlichen (englischen) Warnrufe und Funksprüche.

Ergebnis



"Silent Scope" ist ohne Frage ein originelles Spiel, leider aber auch ein ziemlich kurzes. Es erfordert zwar einiges an Zeit und Übung, den Story-Modus erfolgreich abzuschließen, dann jedoch ist es mit der Motivation nicht mehr allzu weit her. Die Zusatzfeatures der Heimversion enttäuschen, statt eines langweiligen Trainingsspielchens wäre ein konsolenspezifischer Bonuslevel bedeutend unterhaltsamer gewesen. Trotzdem soll nicht verschwiegen werden, dass "Silent Scope" für eine Weile durchaus Spaß macht - vorausgesetzt, man stört sich nicht an der zur Schau gestellten Brutalität. Dass nämlich Kopfschüsse mit Extrapunkten belohnt werden, ist relativ starker Tobak, da fallen die paar Blutspritzer eigentlich kaum noch ins Gewicht. Ohne jetzt wie ein Moralapostel klingen zu wollen, kann ich "Silent Scope" guten Gewissens nur erwachsenen Spielern empfehlen, die sich nicht an der fragwürdigen Moral stören - und ob dem so ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. (Markus Ziegler)

Wertung