Der Spieler schlüpft in die Rolle des Sohnes von Teo McDohl, einem der fünf großen Generäle des Reichs des scharlachroten Mondes. (Warum die Werbeanzeige von einem Bürgerkrieg im Alten China faselt, ist mir immer noch nicht ganz klar). Da man seine putzige Spielfigur frei benennen kann, wollen wir ihr der Einfachkeit halber den schönen Namen "Womble" geben. Als neuestes Mitglied der kaiserlichen Garde erfüllt Womble zusammen mit seinen Gefährten einen kleinen Auftrag, bevor die böse Hofmagierin Windy versucht, seinem Freund Ted eine seltsame Rune zu entreißen. In seiner Not überträgt dieser sie auf Womble und verhilft ihm zur Flucht aus der Hauptstadt. So beginnt eine ungeheuerliche Irrfahrt, in deren Verlauf Womble immer mehr Schattenseiten des korrupten Kaiserreichs kennenlernt und schließlich zum Anführer der Befreiungsarmee ernannt wird. Als dieser baut er auf einer zentral gelegenen Insel eine verlassene Burg zu einem stattlichen Hauptquartier aus, leitet Schlachten gegen die Reichsgeneräle und sammelt immer mehr Verbündete. Ziel des Spiels ist es, möglichst alle 107 anwerbbaren Charaktere zu finden und auf seine Seite zu ziehen, um zuletzt die 108 (muß in Japan eine magische Zahl sein...) Sterne des Schicksals zu vereinen.
DAS GAMEPLAY
Normalerweise lenkt man seinen
Miniatur-Womble über eine Übersichtskarte des Reiches.
Erst bei (zufallsgesteuerten) Kämpfen (oder wenn sich die Jungs bzw.
Mädels in ein Gespräch einmischen) sieht man die komplette, aus
maximal sechs Personen bestehende Party. Hier wird nach alter Japano-Rolli-Tradition
rundenweise
gekämpft, wobei fünf Optionen zur Auswahl stehen: Zum einen der
normale Angriff mit der Charakterwaffe (diese kann nicht
gewechselt, wohl aber bei diversen Schmieden immer wieder geschärft
und verbessert werden). Des weiteren lassen sich die Helden mit Runensteinen
ausrüsten, welche je nach Magietalent und Level des Trägers bis
zu vier Sprüche einer bestimmten Gattung (Wind, Wasser, Feuer
etc.) ermöglichen. Als besonderen Clou lassen sich viele Level-4-Sprüche
miteinander kombinieren, wodurch die erstaunlichsten Resultate erzielt
werden können! Außerdem haben (wesens-) verwandte Personen oft
kombinierte Attacken (z. B. Womble und sein Meister, die drei Elfen
usw.), die ebenfalls höchst unerwartete Nebeneffekte aufweisen. Ansonsten
gibt es noch die Optionen "Verteidigen" und "Objekt benutzen".
Diese Objekte bestehen in der Regel aus Heiltränken und Maßnahmen
gegen Kampfbehinderungen wie Lähmung oder Gift.
Die erwähnten Heilmethoden sind somit recht nützlich, echte Auferstehungssprüche gibt es jedoch nicht (wenn man einmal vom "Mother Ocean"-Spruch der "Flowing Rune" absieht, der alle Krieger wieder vollständig aufpäppelt). Dies hat den einfachen Grund, daß die Spielfiguren in Suikoden nicht wirklich sterben können. Sie fallen zwar zu Boden, können für den Rest der Kampfszene nichts mehr tun und erhalten auch keine Erfahrungspunkte gutgeschrieben, doch genügt es völlig, sie nachher mit einem ordinären Heiltrank zu kurieren. Zur Not kann man ihnen auch einen (oder mehrere) recht günstigen "Sacrificial Buddha" mitgeben, der sie automatisch bei 0 Lebenspunkten wieder mit einem Großteil ihrer Energie versorgt. Erst wenn alle Gruppenmitglieder das Zeitliche segnen, droht das Game Over.
Doch nicht nur aus diesem Grund ist Suikoden ein sehr leichtes Spiel: Die spannende (und manchmal regelrecht ergreifende) Story zieht sich wie ein dicker roter Faden dahin. Es muß stets nur eine Aufgabe auf einmal erledigt werden, und man wird nie über seinen nächsten Schritt im unklaren gelassen. Das geht soweit, daß man in den komplett englischen Unterhaltungen zwar des öfteren zwei Antworten zur Auswahl hat, der Gesprächspartner jedoch die eine solange zurückweist, bis man wohl oder übel die andere wählt. Daß man das Spiel dennoch mehrere Male durchspielt, liegt an der Motivation, tatsächlich alle 107 Gefolgsleute aufzuspüren und - was teilweise genauso schwierig ist - auch zu rekrutieren. Diese richten sich dann in der eigenen Burg ihre ganz privaten Räumlichkeiten ein, so daß man mit der Zeit über eigene Händler, Schmiede, Maler, Gärtner und sogar einen Bademeister verfügt. Besonders spaßig ist es, sich dann sein eigenes Bad mit Keramiken und Wandmalereien zu verzieren, oder dem Maler immer neue Farben zu besorgen, um ein Ölgemälde von sich zu erhalten.
Diese Anhänger spielen auch bei dem halben Dutzend großer Schlachten eine wichtige Rolle: Vergleichbar mit dem bekannten Schere-Stein-Papier-Spiel hat man als Feldherr drei Möglichkeiten: den normalen Sturmangriff, den Einsatz von Pfeil und Bogen oder den von Magie. Dabei schlägt Magie den Sturmangriff ohne Verluste, desgleichen Pfeil und Bogen die Magie, und die Fußsoldaten wüten unter den Bogenschützen. Im Lauf des Spiels gesellen sich noch Drachenreiter (verlieren nur gegen Bögen) dazu. Jeder Angriff dieser Art muß von einer passenden Gruppe angeführt werden, deren Stärke je nach Anzahl der Charaktere (bis zu drei) variiert. Speziell bei Magiern und Bogenschützen ist es wichtig, alle Beteiligten zu finden, da ihre Zahl sehr niedrig, ihr Nutzen jedoch sehr hoch ist. Als kleine Gemeinheit lassen sich auch jeweils drei Ninjas und Diebe anwerben, die (einzeln) Informationen über den nächsten Zug des Gegners sammeln können.
DIE TECHNIK
Suikoden nutzt vorwiegend zweidimensionale
Bitmap-Grafiken.
Bei der Figurenanimation auf der Übersichtskarte hätte man sich
ruhig etwas mehr Mühe geben können, doch innerhalb von Städten
und Dungeons geht sie durchaus in Ordnung. Auch daß sich die Heldentruppe
nur nach oben/unten und rechts/links, nicht aber diagonal bewegen kann,
entspricht der Tradition japanischer Rollenspiele. In Kämpfen schaltet
das Bild um auf eine schräg gezeigte Vektoroptik im Stil der
aktuellen Umgebung, allerdings bestehen Figuren, Bäume und Zaubersprüche
weiterhin aus Bitmap-Grafiken. Zumindest werden sie flott gezoomt, was
zwar ab und an ganze Pixelklötze sichtbar werden läßt,
aber einen sehr dynamischen Eindruck hinterläßt. Die
Figuren sind leicht zu unterscheiden und die sichtbaren Effekte der verschiedenen
Spells zum Teil sehr nett präsentiert. Obwohl die Personen noch weit
vom typisch japanischen Kopffüßler-Stil entfernt sind, wirken
sie mit ihren großen Köpfen alle recht kindlich - ob einem das
gefällt, ist reine Geschmackssache.
Etwas besser schneidet die Soundbegleitung ab, die mit sehr harmonisch/heroischen Musikstücken aufwartet (hat man die Minnesängerin in seiner Burg, darf man sie sich einzeln anhören). Jeder Location und jedem Unterspielchen ist so eine eigene Melodie zugeordnet. Durchschnittsware sind hingegen die Geräusche, die sich zwar zum Teil ändern lassen (Menüklänge), aber einen auch dann nicht vom Hocker reißen.
DAS ERGEBNIS
Suikoden zu bewerten, ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits vermißt man ein wenig die Handlungsfreiheit anderer Spiele, andererseits habe ich für meinen Teil es einmal wieder sehr genossen, sozusagen "an der Hand" durch ein Abenteuer geführt zu werden. Dabei ist die Handlung gleichbleibend logisch und spannend, weshalb man sich kaum von der Konsole losreißen kann. Das Problem liegt eben darin, daß selbst ich als Japano-Rolli-Anfänger Suikoden ohne Schwierigkeit an einem Wochenende (35 Spielstunden an 2 1/2 Tagen, typisches Nerdwochenende) gelöst habe. Doch sollte man bedenken, daß beim ersten Versuch in der Regel nicht alle Charaktere und Gegenstände gefunden werden und das Spiel danach noch zwei- bis dreimal komplett neu gestartet wird. Und wer würde beispielsweise "Resident Evil" verdammen, nur weil es sich in stark zwei Stunden lösen läßt?
Letzten Endes gilt, daß Fortgeschrittene von der Gesamtnote einen halben bis einen Punkt abziehen dürfen, während Anfänger mindestens einen hinzuaddieren sollten. (Markus Ziegler)
WERTUNG
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