Toy Commander

Entwickler:  No Cliché
Vertrieb:  Sega
Genre:  Genremix
Spieler:  1-4
System:  Dreamcast

Story



Ja, so kann's kommen, wenn ein Kind seine Spielzeuge vernachlässigt: Teddybär Hugolin zettelt eine Rebellion an und ernennt sich selbst zum Toy Commander. Um diesen Titel zurückzuerobern, muß der kleine Guthy (bzw. der Spieler) in sieben Räumen des Hauses jeweils sechs Prüfungen am "Steuer" seiner Spielsachen erfüllen. Schlägt er die vorgegebenen (und teils recht niedrigen) Bestzeiten, darf er zum Zweikampf gegen den jeweiligen Boß antreten. Besiegt er auch diesen, steht ihm die neue Figur im finalen Showdown gegen Hugolin zur Verfügung.

Gameplay



Doch bis dahin ist es ein weiter und beschwerlicher Weg, auf welchem es völlig unterschiedliche Aufgaben zu bewältigen gilt: Mal steht lediglich ein Rennen zu Lande oder in der Luft auf dem Programm, ein anderes Mal muß vielleicht eine feindliche Basis erobert werden. Für komplexere Einsätze stehen bis zu drei der insgesamt 26 Fahr- und Flugzeuge bereit, die auf Knopfdruck gewechselt werden können. So kann beispielsweise mit einem Helikopter die gegnerische Artillerie ausgeschaltet werden, bevor der eigene LKW seine Fracht am Zielort abliefert. Erwähnenswert ist auch die Art, wie (vor allem zu Beginn) viele Einsätze in die häusliche Idylle eingebettet werden: Es macht einfach einen Heidenspaß, in der Küche Zuckerstücke in die Kaffeetasse fallen zu lassen oder Eier in den Wassertopf zu bugsieren und den Herd per MG-Salve anzuschalten. Auch die Lichtschalter eines jeden Raumes funktionieren, was die Sorgfalt der Programmierer veranschaulicht.

Auch das relativ simple Handling der doch sehr unterschiedlichen Gefährte wurde gut auf das Pad übertragen: Mit dem Analogstick wird gelenkt, das Steuerkreuz schaltet die verschiedenen Kamerawinkel (je drei Perspektiven nach vorne, hinten, links und rechts) durch, die Buttons dienen dem Beschleunigen, Bremsen und Fahrzeugwechsel oder lösen Bord-MG sowie Sekundärwaffen aus. Insgesamt stehen 16 (!) verschiedene Standardbelegungen zur Auswahl, um alle Geschmäcker zufriedenzustellen. Dazu kommen kleine Steuerhilfen, beispielsweise das automatische Aufrichten nach einem Looping oder Umkippen; Strömungsabrisse bei Flugzeugen fehlen gänzlich, und selbst der tiefste Sturz läßt das Matchbox-Auto unversehrt. Daß es beim Kampf gegen die Boßgegner gelegentlich zu kleinen Hängern kommt, läßt sich verschmerzen, schließlich gibt es hier kein Zeitlimit, wodurch man sich ganz auf die Verstecken-Zuschlagen-Taktik konzentrieren kann.

Auch an Mehrspielerduelle wurde gedacht, allerdings kommen diese erst zu viert richtig in Schwung. Während es zu zweit trotz des Radars nämlich recht schwierig ist, seinen Gegenspieler vor die Flinte zu bekommen, machen die Deathmatches, Capture-the-Flag-Schlachten und Hasenjagden am vierfach geteilten Screen so richtig Laune.

Technik



Respekt! Derart wirklichkeitsnahe und dennoch "künstliche" Räumlichkeiten gab es bislang nur in Pixars "Toy Stories" (die Filme, nicht die Spiele) zu bewundern. Alles ist interaktiv, alles kann verschoben oder zerstört werden, und die hochauflösenden Texturen sorgen dafür, daß man Oberflächen beinahe greifen kann! Einziger Wermutstropfen ist die Tatsache, daß es in der ganzen Detailfülle gelegentlich äußerst schwierig ist, seine(n) Gegner auszumachen, da Explosions-, Rauch- und ähnliche Effekte etwas zu zurückhaltend ausfallen. Dafür darf das Bild endlich einmal in allen Richtungen dem jeweiligen Fernseher angepaßt oder sogar auf das 16:9-Format umgestellt werden. Umso erfreulicher, daß das Spiel trotzdem nie ins Ruckeln kommt, selbst dann nicht, wenn das ganze Zimmer auf dem Kopf steht!

Die hektischen Musikstücke untermalen das Geschehen unaufdringlich, und satte, wenn auch nicht sonderlich viele Soundeffekte tun das Ihre, um den Spieler vor den Fernseher zu locken. Selbst am netten Intro, in welchem gezeigt wird, wie Guthy ganz in seinem Spiel aufgeht, gibt es nichts auszusetzen, und auch der Abspann kann mit einer hübschen Pointe aufwarten.

Ergebnis



Ich muß zugeben, dieses Spiel zunächst gewaltig unterschätzt zu haben, ansonsten hätte dieser Test wohl nicht so lange auf sich warten lassen. "'Micro Machines' in der Luft, im Zweispielermodus ganz nett, aber nichts Besonderes", so dachte ich zunächst. Doch weit gefehlt! "Toy Commander" verfügt sowohl alleine als auch mit drei Gegnern über ungeahnte Qualitäten, welche sich allerdings erst nach etwa einer Spielstunde richtig herauskristallisieren. Dann hat man sich mit den Aufgabenstellungen vertraut gemacht, weiß um das Potential der (aufrüstbaren) Waffen und sonstigen Power Ups und fühlt sich in Guthys Haus langsam heimisch. Klar, manchmal könnte die Steuerung noch etwas präziser und/oder realistischer sein, und manche Endgegner oder Zeitlimits sind schon frustrierend, doch kaum ein anderes Spiel bietet so viele Freiheiten und nette Gags: Sind die entsprechenden Rampen vorhanden, fahren Autos mühelos die Wand hinauf und sogar an der Decke entlang, U-Boote tummeln sich in überschwemmten Zimmerfluren, und Spielzeugparkhäuser verlangen höchstes Feingefühl beim Spiel mit Gas und Bremse.

Bleibt eigentlich nur noch die Frage, für welche Altersgruppe dieses Spiel denn nun eigentlich gedacht ist: Die jüngsten Konsoleros werden sich mit den Logeleien und komplexeren Aufgabenstellungen der späteren Einsätze schwertun, während das bonbonbunte Ambiente auf "ernsthafte" Spieler möglicherweise abschreckend wirkt. Dennoch sollten alle jungen und junggebliebenen Dreamcast-Besitzer diesen herausfordernden Genremix zumindest einmal probespielen, bevor sie dem gleichen Irrtum aufsitzen wie ich - auf lange Sicht ist dem Charme von "Toy Commander" nämlich nur schwer zu widerstehen! (Markus Ziegler)

Wertung