Virtua Striker 2 ver. 2000.1

Entwickler:  Sega
Vertrieb:  Sega
Genre:  Sport
Spieler:  1-2
System:  Dreamcast

Story



Nach "Sega WorldWide Soccer 2000" betritt mit "Virtua Striker 2" (vergessen wir den Versions-Kram lieber gleich) bereits die zweite Fußballerei aus dem Sega-Lineup das Spielfeld. In den Spielhallen ist den Polygon-Bolzereien seit jeher großer Erfolg beschieden, allerdings ist dort die Konkurrenz traditionsgemäß nicht annähernd so stark wie im Heimbereich. Um sich von Spitzenreitern wie EA Sports' "FIFA"-Reihe oder Konamis "ISS"-Spielen abzusetzen, behält VS2 auch auf der Dreamcast das simple Gamedesign der Arcade-Version bei - ein durchaus interessantes Konzept.

Gameplay



Der Preis dafür ist allerdings immens hoch und wird passionierten FIFAisten vermutlich anfangs die Tränen in die Augen treiben: In "Virtua Striker 2" existieren weder unterschiedliche Witterungsbedingungen noch zusätzliche Kameraperspektiven. Es gibt keine einstellbare Schiedsrichterstrenge, keine Vereinsmannschaften, kein richtiges Aufstellungsmenü, keine Originallizenzen und keinen Vierspielermodus. Die Option der Sprachwahl ist prinzipiell ein Witz, da sämtliche Menüs in englischer Sprache gehalten sind - einzig die Bewertungen im Ranking Mode enthalten einige kurze deutsche Sätze. Im Spiel selbst finden sich keine Kommentare, sondern lediglich kurze, selbsterklärende und natürlich englische Ausrufe bei Ecken, Freistößen und Einwürfen. Nur bei Toren darf der Reporter kurz jubeln, allerdings wiederholen sich seine Freudenschreie ständig.

Tja, was gibt es denn nun? Also schön: Geboten werden 32 internationale Teams (ohne Spielernamen), die sich entweder im Arcade- oder WM-Modus begegnen können. Zusätzlich darf man sich seine eigenen Liga- und Pokalwettbewerbe erstellen, wobei auf Wunsch sämtliche Teams (maximal 32 bzw. 16) von menschlichen Teilnehmern übernommen werden können. Optional lassen sich Abseits, Seitenwechsel und Karten deaktivieren. Die Spielzeit ist variabel und schwankt zwischen einer und 30 Minuten, nach deren Ablauf wahlweise die Golden-Goal-Regel greift oder gleich das Elfmeterschießen ansteht. Dieses läßt sich auch separat üben, genau wie auch Freundschaftsbegegnungen (echte Sofasportler lassen einfach zwei Computerspieler gegeneinander antreten) jederzeit möglich sind. Die interessanteste Spielvariante für Profis stellt der bereits erwähnte Ranking Mode dar: Hier gilt es, nacheinander möglichst viele der immer stärker werdenden Gegner zu schlagen, um nach dem Ausscheiden eine tunlichst hohe Punktewertung zu erzielen.

Soviel zu den Matchvorbereitungen, kommen wir zum eigentlichen Spiel. Auch hier fehlen gewohnte Extras wie ein Turbobutton für kurze Zwischensprints oder besondere Tasten für Hackentricks, Übersteiger und ähnliche Kabinettstückchen. Auch die unveränderliche, aber zumindest mobile Kameraperspektive von der Seitenlinie aus sorgt trotz des eingeblendeten Radars für anfängliche Verwirrung. Erstaunlicherweise ist weniger hier jedoch tatsächlich mehr, wie sich nach spätestens zehn Minuten Spielzeit herausstellt: Dank der vier Buttons (flacher Paß, hoher Paß, Schuß, Formation) kommen selbst Einsteiger sofort mit der Steuerung klar. Schon nach kurzer Einspielzeit gelingen so die spektakulärsten Fallrückzieher und Flugkopfbälle, die beim Abspeichern allerdings jeweils rund 30 Blöcke auf der VM-Karte beanspruchen. Einige nette Gimmicks wie die Instant-Videobeweisführung bei Abseitsfallen und besonders knapp verpaßten Torchancen sorgen zwischendurch für kleine Verschnaufpausen.

Die sind auch nötig, denn unabhängig von der gewählten Computerstärke (vier Stufen) geht es auf dem Spielfeld stets ungemein hektisch zur Sache. Zwar funktioniert das Spiel ohne Ball befriedigend, doch drängen sich nicht selten vier Spieler auf einmal um das Leder, was zu wüsten Rutschorgien und Verstolperern führt. Hierin ist auch einer der Schwachpunkte des Games zu sehen: Trotz des One-Touch-Systems (wird bereits vor Ballannahme eine Taste gedrückt, führt der Spieler die Aktion sofort aus, was besonders für Doppelpässe äußerst wichtig ist) geschieht es häufig, daß die Jungs vor dem Abspiel noch so lange herumtändeln, daß ein gegnerischer Verteidiger dazwischenfunken kann. Das führt besonders in der Verteidigung zu fiesen Panikreaktionen und - selten, aber doch - zu ärgerlichen Eigentoren.

Generell wirft das Handling jedoch kaum Probleme auf, und besonders das intelligente Paßspiel weiß zu gefallen: Drückt man das Steuerkreuz (der Analogstick wird nicht unterstützt) bei der Abgabe gegen die Blickrichtung des Spielers, vollführt er automatisch einen gekonnten Hackentrick. Je nach Körperhaltung und Position kommen so je nach Gelegenheit andere Animationen zum Einsatz, was so weit geht, daß sich der Paßgeber nach einer Flanke aus der Drehung mit einer Rolle rückwärts auf den Rasen legt. Dank der exzellenten Kollisionsabfrage wirken diese Manöver vollkommen realistisch, was auch für die (gelegentlichen) Fallrückzieher und (häufigeren) Fouls gilt. "Virtua Striker 2" ist aufgrund seiner ungewohnt nah am Geschehen agierenden Kamera das erste Spiel, bei dem mir beim Anblick einer Blutgrätsche gegen das Schienbein fast die Luft weggeblieben wäre.

Technik



Womit wir auch schon bei der technischen Umsetzung angelangt wären: Die gebotenen Animationen zählen zum Besten, was es jemals bei einem digitalen Fußballspiel zu sehen gab. Umso enttäuschender ist allerdings, daß es bei einem Tourniersieg bestenfalls einen schmucklosen Pokal zu bewundern gibt - einige nette Jubelanimationen und Ehrenrunden à la FIFA hätten es schon sein dürfen... Unglücklicherweise geht die Detailfreude der hübsch anzusehenden Kicker bzw. der sieben animierten Stadien etwas zu Lasten der Spielgeschwindigkeit, wodurch es bei größeren Kameraeinstellungen (beispielsweise bei Ecken) zu merklichen Slowdowns kommen kann. Zwar dauern diese nur für Sekundenbruchteile an, nichtsdestotrotz trüben sie das ansonsten tadellose Gesamtbild ein wenig. Alles in allem ist die starke Optik jedoch sicherlich einer der Hauptmotivationsfaktoren auf dem virtuellen Rasen.

Anders der Sound: Abgesehen von einigen spielhallentypischen, sich ständig wiederholenden Musikstücken gibt es nur wenige und zudem bestenfalls mittelmäßige Soundeffekte zu hören. Die englischen "Throw In"-Aussprüche wären ja gerade noch zu ertragen, was jedoch wirklich nervt, ist das (einzige!) Sample beim Grätschen: Dieser an ein trockenes Schuhabstreifen erinnernde Laut ertönt im Schnitt alle fünf Sekunden!

Ergebnis



Tja, ich kann's nicht genau erklären: Da sitze ich, ärgere mich über den Sound, die fehlenden Optionen und andere störende Kleinigkeiten, und trotzdem macht mir das Spiel einfach Spaß. Während SWWS 2000 all die angesprochenen Features vorweisen konnte, heute aber im Regal verstaubt, wandert "Virtua Striker 2" immer wieder ins Laufwerk. Speziell im Zweispielermodus sind die spannenden Matches ein echter Renner und erinnern mich an die gute alte Zeit, bevor es 3D-Fußball und bevor es die FIFA-Reihe gab. Ähnlich wie in legendären, mit "Sensible Soccer" am Amiga durchzockten Bundeswehr-Nächten sieht man zwar die Schwächen des Spiels, läßt sich von ihnen aber schlichtweg nicht stören! Dennoch bleibt zu hoffen, daß "ver. 2000.2" - so sie denn erscheinen sollte - mit einigen zusätzlichen Mannschaften, Optionen, Spielvarianten und vielleicht auch einem Vierspielermodus aufwarten kann... (Markus Ziegler)

Wertung