Virtua Tennis

Sega Professional Tennis


Entwickler:  Sega/Hitmaker
Vertrieb:  Sega
Genre:  Sport
Spieler:  1-4
System:  Dreamcast

Story



Fußball, Eishockey, Basketball und jetzt Tennis: Die Palette der Sega-Sports-Titel wird kontinuierlich ausgeweitet. Nach „Virtua Striker 2“ folgt nun die zweite Umsetzung eines populären Spielhallenautomaten – mit allen Vor- und Nachteilen.

Gameplay



Das größte Plus sei gleich als erstes genannt: „Virtua Tennis“ überzeugt durch eine beeindruckende Spielbarkeit, die man seit den Blütezeiten des Amiga und „Great Courts 2“ (bzw. seinem SNES-Pendant „Jimmy Connors Tennis“) nicht mehr in vergleichbarer Form erleben durfte. Insgesamt 18 Spieler (davon acht reale Schlägerschwinger, welche auch gleich von Beginn an zur Verfügung stehen) hetzen absolut lebensecht über letztlich zehn verschiedene Center Courts. Mit nur zwei verschiedenen Tasten lassen sich gleichermaßen gefühlvolle Lobs oder knallharte Schmetterschläge übers Netz dreschen, daneben dürfen auch die obligatorischen Hechtrollen, Stops und Grundlinienbälle nicht fehlen.

Was die Sache dann schon weniger angenehm macht, sind die fehlenden Optionen: Padkonfiguration? Fehlanzeige. Ein richtiges Turnier mit Vorrunde, Viertel- und Halbfinale? Fehlanzeige. Spielereditor? Erraten: Fehlanzeige. Selbst die Spieldauer beschränkt sich auf maximal einen Gewinnsatz mit Tie Break und kann bis auf einen Punkt ohne Einstandregel verkürzt werden! Das muss man sich einmal bildlich vor Augen führen: Maximal sieben Ballwechsel entscheiden über das gesamte Match, und dabei hat eine Seite noch ständig Aufschlag - so lässt sich auch auf der härtesten der vier Schwierigkeitsstufen locker die Meisterschaft erringen. An überflüssigen Optionen herrscht also im Gegensatz zu sinnvollen Einstellungen kein Mangel... Damit ist übrigens auch der Schieberegler für die Musiklautstärke im Spiel gemeint, da jeder vernünftige Mensch das entsetzliche Gedudel sofort komplett abschalten wird (in den Menüs lässt es sich leider trotzdem nicht deaktivieren).

So bleibt an echten Spielmodi genaugenommen nur der Arcade-Modus, in welchem wahlweise allein oder zu zweit nacheinander fünf im Schwierigkeitsgrad zunehmende Finalkämpfe bestritten werden. Dass die Turniernamen dabei nicht ihren realen Vorbildern entsprechen, lässt sich leicht verschmerzen. Zum Trost sehen die Center Courts in Australien, Frankreich, USA und England aus wie in Wirklichkeit, als Bonus wartet zuletzt die spezielle Sega-Meisterschaft, bevor man die kurze und immer gleiche Siegessequenz betrachten und seine erspielten Preisgelder in einer Highscoretabelle speichern darf.

A propos Meisterschaft: Als Alternative für Solisten gibt es noch ein zweites Betätigungsfeld, den sogenannten World-Circuit-Modus. Hier werden ebenfalls Preisgelder verdient, jedoch umgehend wieder in neue Spieler, Plätze oder einfach alternative Outfits investiert. Auch einige versteckte Goodies wie der Flower-Power-Anzug mit passendem Sonnenblumen-Schläger können durch gute Leistungen in den zahlreichen Trainingsspielchen (Bälle in Fässer lobben, Kegel mit Aufschlägen umwerfen, Kisten mit Returns treffen etc.) und Übungsmatches gegen stufenweise härter werdende Computergegner freigeschaltet werden. Dass sich dabei auch automatisch die Platzierung in der Weltrangliste verbessert, ist schön, doch stellt auch dieser für sich gesehen durchaus abwechslungsreiche Modus keinen Ersatz für die fehlenden Turniere und eine richtige Saison dar.

Technik



Auf den ersten Blick ist „Virtua Tennis“ kaum von einer Fernsehübertragung zu unterscheiden: Die Akteure huschen flüssig animiert über den von Wolkenschatten zeitweise leicht verdunkelten Platz, ein harter Aufschlag wischt schon mal den Sand von der T-Linie, und selbst Netzrichter und Balljungen sind vollständig animiert. Erst bei näherem Hinsehen offenbaren sich einige gravierende Schönheitsfehler: Zwar sehen die Spieler ihren realen Vorbildern einigermaßen ähnlich, doch wurde bei den Gesichtstexturen offensichtlich kein übergroßer Wert auf einen lebendigen Gesamteindruck gelegt. Ob Jim Courier oder Tommy Haas, alle Visagen wirken wächsern und maskenhaft, die Augen sind meist kaum mehr als ein dunkler Schatten in der oberen Gesichtshälfte. Auch die Umgebung lässt bei genauerer Betrachtung einigen Raum für Verbesserungen: Das Publikum bei den Nahaufnahmen besteht abwechselnd aus verwaschenen 2D-„Pappkameraden“ oder debil grinsenden Polygonfiguren, deren Klatsch- und Jubelanimationen wahrhaft fürchterlich schlecht animiert sind. Dazu kommen die viel zu kurzen Sofortwiederholungen, welche lediglich den letzten erfolgreichen Schlag zeigen. Selbst die fantastischsten Ballwechsel dürfen nicht in voller Länge angezeigt, geschweige denn abgespeichert werden. Schade, schade, schade!

Beim Sound gibt es (abgesehen von der eingangs erwähnten und wirklich völlig unpassenden) Musikkulisse keine Überraschungen: Die immer gleichen Schlaggeräusche (Ausnahme: die Sonnenblume:-) klingen zwar etwas eintönig, erlauben dadurch jedoch schon beim Hören die Unterscheidung zwischen Topspins, Stops, Lobs und Rahmentreffern. Die auf harten Böden quietschenden Schritte hätte man sich jedoch ebenso sparen können wie die schabenden Geräusche auf Sandplätzen. Wenigstens weiß die je nach Austragungsort wechselnde Sprachausgabe der Schiedsrichter zu gefallen, auch wenn bei einem Doppel stets nur der erste menschliche Spieler Erwähnung findet.

Ergebnis



Wieder einmal krankt eine Arcade-Konvertierung an zu wenigen Optionen. Ähnlich wie bei „Virtua Striker 2“ weiß auch „Virtua Tennis“ im Mehrspielermodus durchaus zu fesseln, doch auch Doppel-Teams würden sich etwas mehr Abwechslung als nur die ewig gleichen Arcade-Duelle wünschen. Außerdem: Wo bleiben die weiblichen Stars und gemischten Doppel? Ein wirklich nettes Feature soll jedoch nicht unerwähnt bleiben: Wer sich für den größten Racket-Schwinger aller Zeiten hält, sollte einmal versuchen, eine Begegnung nur mit Hilfe seiner VM zu gewinnen. Ganz recht: Auch wenn es leider kein downloadbares Tennisspielchen gibt, so wird doch das komplette Match auf dem Flüssigkristall-Display der Original-Speicherkarten in Echtzeit dargestellt! Das ganze ist quasi symbolisch für das gesamte Spiel: Witzig, aber auf Dauer etwas enttäuschend – was hätte man aus „Virtua Tennis“ nicht alles machen können... (Markus Ziegler)

Wertung